Halbe Wände gegen "Stille Besuche"
Halbe Wände und große Schiebetüren geben Geborgenheit und lassen die alten Menschen doch am Gemeinschaftsleben teilhaben. Das ist die Grundidee der Pflegeoase im Hertener Altenzentrum Franz-von-Assisi der Caritas. Aber in diesem neuen Wohnkonzept für nicht mehr mobile und auch nicht mehr sprachfähige, überwiegend demenzkranke Menschen stecken noch viele Ideen mehr. Die geschwungenen Lichtleisten in der Decke, deren Pastellfarben sich zentral von Pfleger Marcel Rengers steuern lassen, haben Heimleiter Bernd Raspel und seine Mitarbeiterinnen in Luxemburg entdeckt: "Mehr Lebensqualität durch gezielte Sinnesreize ist der Leitspruch," sagt Raspel. Aus vielen Einrichtungen weither haben sie Anregungen geholt, um das aus der Schweiz stammende Konzept der Pflegeoase umzusetzen. In Nordhrein-Westfalen gibt es bislang nur zwei anerkannte Pflegeoasen in Solingen und in Telgte in Trägerschaft der St. Franziskus-Stiftung.
Im Mai letzten Jahres sind die ersten Bewohner in die Hertener Pflegeoase eingezogen. "Es wirkt schon", beobachten Pflegedienstleiterin Elisabeth Walberg und Gabi Schotte-Lange, die den Sozialdienst leitet. Einige der alten Menschen kennen sie seit langem und sehen, dass "der Blick jetzt wieder hinterher geht", sie wieder auf Sinnesreize reagieren. Vorher wirkten sie eher teilnahmslos. Genau darum ging es dem Team um Bernd Raspel - und um die "stillen Besuche". Im Einzelzimmer neben dem Bett sitzen, ohne dass Kommunikation möglich ist, sei für die Angehörigen sehr belastend und führe zu "Besuchsvermeidung", erklärt Raspel: "Sie erzählen, dass sie schlecht schlafen, wenn sie nach Hause kommen."
Auf rund 300 Quadratmeter sind die Wände meist halb durchbrochen. Ein Konzept, bei dem die Meinungen auseinander gehen. Verfechter der "Ein-Raum-Oase" ist in der Fachwelt die Uni Witten-Herdecke, skeptisch dagegen das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA). Nach 30 Jahren Kampf für Einzelzimmer wollte es keine Förderung bewilligen. Aber Raspel und seine Mitarbeiter waren so überzeugt von der Idee, dass sie den Umbau mit Eigenmitteln gestemmt haben.