„Wir hätten sehr gerne geholfen“
Normalerweise kümmern sie sich um Menschen, die auf der Straße leben: Sie fahren regelmäßig Suppenküchen an, die Bahnhofsmission, den Alexanderplatz. Seit 1995 ist das Arztmobil der Berliner Caritas an den einschlägigen Standorten der Stadt unterwegs, um auch jenen eine medizinische Grundversorgung zu ermöglichen, die ohne Dach über dem Kopf und ohne Krankenversicherung ihr Leben fristen. Wenn es gut geht, gelingt es sogar, den einen oder die andere für die Rückkehr in die soziale und medizinische Regelversorgung zu motivieren. Der umgebaute Kleintransporter, der als einfacher Behandlungsraum ausgestattet ist, ist unterwegs mit einem Arzt/einer Ärztin (aus einem Kreis niedergelassener Kollegen, die beim Arztmobil ehrenamtlich mitarbeiten), einer Pflegekraft und einer Sozialarbeiterin. Pro Einsatz behandeln sie an die fünfzehn Wohnungslose. Etwa 1500 Behandlungen pro Jahr finden statt.
Ende Oktober vergangenen Jahres hatten sie einen ganz ungewöhnlichen Einsatzort: Besorgte Helfer hatten sie zum Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor zu Hilfe gerufen. Schließlich campierten dort auch 20 „Obdachlose“. Aber was heißt schon campieren? Genau das war ihnen ja von der Polizei untersagt worden. Zelte, Schlafsäcke, Decken und Isomatten waren ihnen abgenommen worden. Pappdeckel mit Kerzen drauf hätten keinesfalls als Sitzunterlage benutzt werden dürfen. Nur Regenschirme waren als Schutz vor Regen und Kälte erlaubt. Und so bot sich den Helfern vom Caritas-Arztmobil ein „skurriles“ Bild: „Zwischen den vielen Touristen, Schaustellern, Diplomaten, Politikern, Polizisten und Massen von Journalisten bekamen wir die, um die es ging, fast gar nicht zu sehen“, erzählt Caritas-Sozialarbeiterin Jenny Kröger. Die, um die es ging, waren 20 bayrische Asylbewerber, die Anfang September in Würzburg „illegal“ zu ihrem 600 Kilometer langen Marsch nach Berlin aufgebrochen waren. Denn Asylbewerber dürfen die Grenzen des Landkreises, in dem sie untergebracht sind, eigentlich gar nicht verlassen. Genau gegen diese Residenzpflicht, die Unterbringung in Sammelunterkünften und für einen Abschiebestopp wollten sie mit ihrer Aktion protestieren.
Als das Caritas-Arztmobil eintraf, waren sie schon einige Tage im medienwirksamen Hungerstreik. Nur drei von ihnen bekam das Team zu Gesicht. „Die anderen waren unter einem Haufen von Regenschirmen und Jacken verborgen.“ Und umringt von einem Heer von Helfern und twitternden Bleiberechtsaktivisten. „Das waren mehr Helfer als Flüchtlinge. Die wollten alle was machen und konnten nicht.“ Da kamen ihnen die Leute vom Arztmobil gerade recht, um sich wenigstens Rat zu holen: „Ist es gefährlich, wenn die Flüchtlinge bei den eisigen Temperaturen einschlafen?“ Das Arztmobil-Team verteilte Wärmepflaster. Einer der Flüchtlinge hatte Halsschmerzen. Aber er habe sich geweigert, Medikamente zu nehmen: Wenn schon im Hungerstreik ohne essen und trinken, dann sei auch keine Arznei erlaubt. Keiner der Hungerstreikenden habe Interesse an einer medizinischen Behandlung gehabt. „Wir hätten sehr gerne geholfen, aber das war leider nicht möglich, sagt Jenny Kröger. Sie persönlich habe es trotzdem sehr wichtig gefunden, dass „wir vor Ort waren, um unsere Unterstützung anzubieten. Zumindest konnten wir so die Helfer der Protestierenden beraten“.