Bärenstarker Start für die ganze Familie
Geschafft. "Gut, dass ich nicht vorher wusste, wie weh das tut", sagt Sarah Wagner*. Die Geburt war anstrengend. Doch jetzt ist alles gut. Die junge Mutter liegt im Bett auf der gynäkologischen Station des St. Josef-Krankenhauses Moers, und Baby Sophia schlummert in Papas Arm.
Gerade hat die kleine Familie unerwarteten Besuch und Kuscheltier-Zuwachs bekommen. "Herzlichen Glückwunsch. Ich bin vom Caritasverband Moers-Xanten", sagt Martina Rensen-Michaelis. "Jede Mutter, die hier entbindet oder auch wegen Komplikationen schon während der Schwangerschaft stationär aufgenommen werden muss, wird von mir besucht. Kennen Sie unser Projekt, Frühe Hilfen‘?", fragt die Sozialpädagogin. Sie zückt einen knuddeligen Bären im roten Caritas-Hemdchen und einen Flyer und überreicht beides der jungen Familie. "Das ist für den Fall, dass Sie mal Hilfe brauchen. Man weiß ja nie, was kommt. Wenn Sie mal eine Frage haben oder wenn Sie mal krank werden, steht dort unsere Telefonnummer."
Teddy und Flyer zur Geburt
Jede Mama - oder manchmal auch der Papa – bekommt zur Geburt des Kindes Bär und Broschüre von der Caritas geschenkt. Seit drei Jahren gibt es das Präventionsprojekt des Verbandes in Kooperation mit dem katholischen Krankenhaus in Moers.
Schnell, leise und unspektakulär kommt diese Hilfe daher. Wenn alles in Ordnung ist, bleibt es bei den Glückwünschen. Aber sollten sich Fragen, Sorgen und Nöte einstellen, ist Martina Rensen-Michaelis zur Stelle. "Die Zeit nach der Entbindung ist eine besondere Situation", sagt der Geschäftsführer des Caritasverbandes Moers-Xanten, Henric Peeters. "Dort erreicht man die Mütter sehr gut. Wenn sie erst zurück sind im Alltag und es vielleicht schwierig wird, dann erinnern sie sich an uns."
Martina Rensen-Michaelis und Sarah Wagner unterhalten sich noch kurz über die Geburt am Vortag. Dann geht die Koordinatorin weiter zum Nachbarbett von Jana Rasch*. Die junge Frau hat ihr schlafendes Neugeborenes auf dem Arm. Nach dem Kaiserschnitt geht es ihr schon gut.
Kurz und dezent stellt Rensen-Michaelis auch dort die "Frühen Hilfen" vor. "Viele Mütter sind mit sich selbst beschäftigt. Da möchte ich mich nicht aufdrängen. Aber der Kontakt ist da." In den meisten Fällen ist im Wochenbett die Welt der jungen Familie noch in Ordnung. Auch das weiß die Sozialpädagogin. "Alle freuen sich. Der Vater hat Urlaub. Opa und Oma kommen zu Besuch."
Doch die Zeiten der schlaflosen Nächte und des schreienden Babys kommen und dazu noch alle Arten von Unsicherheiten: Wie geht das finanziell mit Kind? Wie geht es im Beruf? Wie geht es mit dem Partner? "Mutter-Werden ist ein riesiger Schritt", sagt Rensen-Michaelis. Sie weiß, wovon sie spricht. Sie hat selbst drei Kinder.
Die Projektkoordinatorin merkt schnell, wie es um den Seelenfrieden einer Mutter bestellt ist. Bei der schwangeren Eva Pauli*, die bereits ein Kind hat und die wegen Übelkeit auf der Station liegt, fragt Rensen-Michaelis konkret nach. "Wo ist Ihr Sohn jetzt untergebracht?" Später erklärt sie: "Wenn ich merke, dass es schwierig ist mit der Unterbringung des Geschwisterkindes, gibt es die Möglichkeit, eine Familienpflegerin von der Caritas zu organisieren."
Rund ums Kind alle vernetzt
Ärzte, Krankenschwestern und Hebammen sitzen mit der Caritas-Mitarbeiterin in einem Boot. Sie sind eng vernetzt. Auch das ist Teil des Projekts. Sollte einer Hebamme oder einem Arzt etwas auffallen, das auf eine Notsituation hindeutet, so fragen sie die Patientin, ob sie den Kontakt zur Caritas herstellen dürfen.
"Letztlich geht es darum, Kindeswohlgefährdung zu vermeiden", sagt Geschäftsführer Peeters. Dazu kommt es meist erst, wenn sich die Probleme in der Familie zuspitzen. Deshalb ist es so wichtig, so früh wie möglich anzusetzen - bei der Geburt oder schon in der Schwangerschaft.
Rensen-Michaelis geht manchmal auch mit in die Hebammensprechstunde. "Eine jungen Osteuropäerin hatte Angst, wegen des unehelichen Kindes von ihrer Familie verstoßen zu werden. Wir haben mit den Eltern gesprochen, und nach dem ersten Schock haben sie das Enkelkind gut angenommen. Die Mutter hat sich dann nach allen Zweifeln entschieden, ihr Baby zu behalten. Dank der frühen Hilfe und dem daraus folgenden Einsatz einer Familienhebamme ist es gut ausgegangen", erzählt die Caritas-Mitarbeiterin.
Andere junge Mütter, die in die Hebammensprechstunde kommen, sind alleinerziehend. Die Sozialpädagogin hilft, Anträge zu stellen, zum Beispiel für die Erstausstattung, oder vermittelt an entsprechende Institutionen, etwa wenn Hilfe bei der Wohnungssuche benötigt wird. Die Anfragen sind sehr unterschiedlich. Frau Rensen-Michaelis greift dann auf ihr Netzwerk zurück, um den Familien individuelle, passgenaue Hilfen zukommen zu lassen. Mittlerweile stehen der Projektkoordinatorin zudem fünf ehrenamtliche Familienpaten zur Verfügung, die zum Einsatz kommen, wenn die Familien vorübergehend nach der Geburt Entlastung zu Hause benötigen.
Früher war keiner zuständig
Für die Hebammen sind die "Frühen Hilfen" eine große Erleichterung. "Wir betreuen die Frauen acht Wochen nach der Geburt und sehen, ob es gut läuft. Aber falls nicht, wussten wir früher nicht so richtig, an wen wir uns wenden sollten. Es fühlte sich keiner zuständig. Jetzt ist das klar!", sagt Martina Schmeißer, Hebamme am St. Josef.
In anderen Fällen kommen die Frauen Monate nach der Entbindung, um einfach nach einem Kinderarzt zu fragen. Oder auch mit schwierigeren Anliegen. "Eine Mutter sagte: Ich habe Depressionen. Ich brauche Hilfe. Das war im Wochenbett überhaupt nicht abzusehen", erzählt Rensen-Michaelis. Sie sieht daran, wie sinnvoll ihre Erstbesuche sind. Die meisten laufen unkompliziert ab wie bei Sarah Wagner und Jana Rasch. "Ich bin immer willkommen, denn jede Mutter will das Beste für Kind. Es kommt vor, dass die Frauen keine Hilfe brauchen, aber alle sagen: Toll, dass es das gibt", sagt Rensen-Michaelis. Und dann hat sie die schöne Aufgabe, Mütter mit Babys zu besuchen. Kinderleicht geradezu.
* Name geändert