Auf der Flucht vor dem Krieg
Von "massivem Zustrom" von Flüchtlingen und überfüllten Notunterkünften in Köln ist die Rede. Im September machte die Unterbringung von 200 Flüchtlingen unter anderem aus Serbien und Mazedonien in einer Kölner Turnhalle über den Zeitraum von einer Woche Schlagzeilen. Die Notunterkünfte in Köln sind tatsächlich überfüllt, die Zustände teilweise menschenunwürdig. Und es ist ein hausgemachtes Problem. Seit vier Jahren steigt die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland wieder leicht an, Experten haben frühzeitig auf diese Entwicklung hingewiesen. Die aktuellen Zahlen sind aber nichts im Vergleich zu dem, was wir vor einigen Jahren noch kannten. Bundesweit stellten im Jahr 2011 45.741 Menschen einen Antrag auf Asyl, 1992 waren es noch 438.191 Flüchtlinge.
Doch die Stadt Köln baute Plätze ab: Wohnheime, in denen die schlechtesten Zustände herrschten, wurden geschlossen, neue nicht eröffnet. Nun fehlen aktuell 300 bis 400 Plätze zur Unterbringung. Damit kann Köln die zugewiesene Landesquote von fünf Prozent nicht erfüllen. Derzeit leben in Köln 2140 Flüchtlinge, die meisten in Wohnheimen – oft schon seit vielen Jahren, andere sind in Hotels und Notunterkünften untergebracht. Viele Familien sind mittlerweile dank vielfältiger Unterstützung, auch von der Caritas, gut integriert. Trotz der widrigen Wohnverhältnisse.
Schimmelige Unterkünfte
In Köln setzt sich der Runde Tisch für Flüchtlingsfragen, zu dem sich die freien Träger, die Fraktionen, die Polizei und die städtische Verwaltung zusammengetan haben, für eine Verbesserung der Situation ein. Trotz der unterschiedlichen Positionen der einzelnen Vertreter hat das Ringen miteinander in der Vergangenheit zu verbesserten Lebensbedingungen der Flüchtlinge geführt. Mit dem Anstieg der Flüchtlingszahlen steht das Gremium vor neuen Herausforderungen. Peter Krücker, Caritas-Vorstand und Sprecher des Runden Tisches, beklagt auch dort das mangelnde Engagement der Stadt. "Erst wenn man Flüchtlinge in den Rathausfluren unterbringt, könnte sich das schlagartig ändern." Susanne Rabe-Rahman, Mitarbeiterin der Caritas, berichtet von einem Besuch bei Flüchtlingsfamilien in einem Wohnheim. "Hier gibt es nur Einzelräume mit Kochplatten, die sanitären Anlagen sind auf dem Flur und werden gemeinschaftlich genutzt. In einigen Räumen ist Schimmel, gerade bei Kleinkindern führt das zu Asthma." Beratung und Begleitung durch Wohlfahrtsverbände wie die Caritas tut not, denn von städtischer Seite gibt es kaum Ansprechpartner für die Flüchtlinge. Die zuständige Sozialarbeiterin der Behörde kommt nur alle zwei Wochen, und selbst diese Besuche fallen häufig aus. Die meisten Menschen, die hier leben, wissen aber nicht, wie ein Asylverfahren läuft und was sie dafür überhaupt tun müssen. Die Vermittlung an Schulen und Kindergärten verläuft schleppend, viele kennen nicht ihren Anspruch auf Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen.
Nicht nur die Sozial- und Rechtsberatung (Verfahrensberatung) ist für diese Menschen wichtig. Mindestens genauso bedeutend sind Gruppen- und Freizeitangebote und Ausflüge mit der Caritas, die nur mit Hilfe von vielen ehrenamtlichen Begleitern stattfinden können. Im Wildgehege oder Kletterpark im nahen Umland können die Familien wenigstens mal für einige Stunden ihre Sorgen vergessen und unbeschwert sein. Und dann gibt es noch die traumatisierten Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten. Für sie ist das Caritas-Therapiezentrum für Folteropfer und Flüchtlingsfragen die Anlaufstelle.
In Syrien Terror, hier Hürden
Inzwischen sind die ersten Familien aus dem aktuellen Kriegsgebiet Syrien da. Jasmina A. ist mit ihren drei Kindern aus Syrien geflüchtet, von einer Erstaufnahmestelle in Süddeutschland wurden sie Köln zugewiesen. Hier leben sie in einem Zimmer in einer Notunterkunft.
Der Ehemann kam vier Wochen später nach Deutschland, ist aber in eine Stadt in Norddeutschland geschickt worden. Bei einem Besuch seiner Familie in Köln bedeutet ihm die städtische Behörde, er müsse zurück nach Norddeutschland. "Aber ich muss doch bei meinen Kindern sein. Sie haben die Toten auf den Straßen gesehen, rufen mich täglich an und sind sehr verstört", erzählt er in einem Gespräch mit Susanne Rabe-Rahman. Die Flucht aus Syrien über die Türkei sei eine Strapaze gewesen, und jetzt auch noch das, von der Familie getrennt zu sein. Rabe-Rahman sichert zu, sich bei der zuständigen Stelle für eine Umverteilung einzusetzen. Sie spricht das Asylverfahren an und merkt, dass ihre Informationen die Familie noch gar nicht richtig erreichen: Sie sind erst einmal froh, überhaupt in Deutschland angekommen zu sein, und brauchen Zeit, sich an alles Neue zu gewöhnen. Es überrascht sie, dass noch so viele weitere Hürden auf sie warten.
Die schulpflichtige Tochter besucht bereits seit wenigen Wochen die Schule. "Die Lehrerin ist sehr zufrieden mit ihr, weil sie ruhig und fleißig ist", sagt Jasmina A. voll Stolz. Wenn die Zusammenführung der Familie gelungen ist, steht die Besprechung weiterer Hilfsmöglichkeiten wie etwa auch des Besuchs von Sprachkursen an.
Bis die rechtlichen Fragen geklärt sind und die Familie sich irgendwann wie selbstverständlich in Köln bewegt und heimisch fühlt, gibt es viel zu tun. Ein Anfang ist gemacht.