„Definitiv gut fürs Karma”
Auszubildenden in der Altenpflege geht vieles durch den Kopf, und manches geht ihnen auch besonders nah. Die Pflege-Azubis Eva-Maria Henze und Matthias Bauerkamp von der Caritas-Altenhilfe Berlin geben als Internet-Blogger Einblicke in das, was sie bewegt. Der Austausch untereinander hilft, sagen die beiden. Mit ihren Blog-Beiträgen wollen sie im Netz Interesse für die Altenpflege wecken und jungen Menschen jenseits von Klischees ein authentisches Bild von ihrem Beruf vermitteln.
"Hi Leute, wie Ihr sicher über die Medien mitbekommen habt, hat die WHO den ersten globalen Diabetes-Report veröffentlicht. Mir waren viele Details überhaupt nicht bewusst, zum Beispiel die Zahl der Erkrankten - 422 Millionen weltweit", tippt Matthias Bauerkamp in sein Smartphone und wählt dafür den Reiter Brisantes.
"Mir ist es jetzt nach anderthalb Jahren passiert. Herr Z., mein Lieblingsbewohner ist verstorben", postet Eva-Maria Henze in der Rubrik Nachgedacht: "Er war ein so toller Mensch! Egal, wie schlecht mein Tag auch lief, Herr Z. schaffte es immer, ein Lächeln auf meine Lippen zu zaubern. Dabei soll das ja eigentlich andersherum sein. Wir haben viel zusammen gelacht und auch geweint."
Die Themen des Blogs sind so vielfältig, wie das, was die Pflege-Azubis beschäftigt. So bietet die Plattform, die seit Frühjahr online ist und Caritas-Azubis in ganz Deutschland vernetzen will, auch Platz für Rubriken wie "gepflegter Humor", "gepflegte Kunst" oder einen Bereich "kritisch und politisch".
Eva-Maria Henze und Matthias Bauerkamp gehören zum Blogger-Team der ersten Stunde, das die Website entwickelt hat und mit Inhalten füttert. Dabei ist der Weg der beiden zur Altenpflege längst nicht so klar vorgezeichnet gewesen, wie man es vermuten könnte, wenn man ihre engagierten Pflege-Posts des Internet-Blogs verfolgt.
Ursprünglich kommt er vom Theater, verrät Matthias Bauerkamp, Auszubildender im Caritas Seniorenzentrum St. Konrad in Berlin-Oberschöneweide. Der Biesdorfer steht zunächst als Schauspieler auf der Bühne, führt Regie, inszeniert Aufführungen und kann sich bis heute vor allem für Shakespeare und spätere Brecht-Lyrik begeistern. Später studiert der heute 32-Jährige Theologie, spielt sogar einmal mit dem Gedanken, ins Pfarramt zu gehen.
Eva-Maria Henze arbeitet als Bürokauffrau bei einer Versicherung, für Logistik-Firmen und in einem Unternehmen der Windkraftanlagen-Branche. Die Oranienburgerin wird früh Mutter und studiert zwei Semester Wirtschaftsinformatik, bevor sie die Ausbildung zur Altenpflegerin im Veltener Caritas Seniorenzentrum St. Elisabeth beginnt. So unterschiedlich der Werdegang: Beide Azubi-Blogger kommen aus ganz ähnlichen Beweggründen mit dem Thema Altenpflege näher in Berührung. "Als meine Oma nach einem Schlaganfall nicht mehr richtig sprechen konnte, wollte ich begreifen, was ihr passiert ist und wie ich ihr besser helfen kann", erinnert sich Eva-Maria Henze.
Beim Durchforsten der Zeitung und Sichten des Stellenmarkts fallen ihr die vielen offenen Ausschreibungen auf. "Altenpflege ist definitiv Zukunft und definitiv ein bisschen was fürs Karma", sagt sie. "Also habe ich mich gefragt: Kannst Du das? Ist das vielleicht was für mich?"
Als die eigene Großmutter pflegebedürftig wird, verändert das auch Matthias Bauerkamps Blick auf die alternde Gesellschaft. Ihm wird immer klarer: "Ich möchte nicht nur über den demografischen Wandel reden, sondern selbst Verantwortung übernehmen und etwas Sinnvolles tun, das gebraucht wird." Die Altenpflege ist "ein Bereich, der sich wahnsinnig entwickelt", so der 32-Jährige.
Der wichtigste Punkt ist für beide Azubi-Blogger die soziale Komponente: "Wir sind sehr nah an den Menschen dran, die wir begleiten, und ich habe oft das Gefühl, Gutes zu tun", sagt Matthias Bauerkamp. "Man hat einen ganz anderen Kontakt als zum Beispiel im Alltag eines Büro-Jobs", sagt Eva-Maria Henze: "Man baut schon nach kurzer Zeit eine enge Bindung auf, weil die Menschen, die uns brauchen, uns sehr viel anvertrauen und man auch einen Teil von sich selbst preisgibt."
Respekt, Elan und gute Laune - das sind die Eigenschaften, die ein Pflege-Azubi auf jeden Fall mitbringen sollte. "Die Menschen brauchen Aufmunterung, natürlich auch dann, wenn man selbst vielleicht einen gebrauchten Tag erwischt hat oder zu Hause normalerweise eher ein Morgenmuffel ist", sagt Eva-Maria Henze. "Nicht allen kann man es immer recht machen", sagt sie. "Alte Leute sind gute Menschen, und das ist für uns alle die beste Motivation."
Kraft und innere Stärke - auch das braucht es, erklärt Matthias Bauerkamp: "Die Altenpflege ist eine ganz eigene Melange", sagt er. "Einerseits bietet die Medizin immer neue Möglichkeiten. Andererseits begleiten wir die Menschen auf ihrem letzten Weg, mit allem was dazu gehört. Das Leben so wahrzunehmen, das prägt."
Wie intensiv diese Erfahrung sein kann, das spürt Eva-Maria Henze etwa in dem Moment, als Herr Z. verstirbt. Der ältere Herr hat ihr erlaubt, für den schulischen Teil der Pflegeausbildung eine Biografie-Arbeit über sein Leben zu verfassen. "Er hat mir alles erzählt, von sich und auch vom Krieg." Die beiden finden einen guten Draht zueinander, sind von Anfang an auf einer Wellenlänge.
"Wir sagen immer, so etwas wie einen Lieblingsbewohner, den gibt es nicht, weil wir jeden gleich behandeln und versuchen, die richtige Balance von Nähe und Distanz zu wahren. Trotzdem kommt es natürlich vor, dass man einen Menschen besonders in sein Herz schließt", sagt Eva-Maria Henze. Mattias Bauerkamp weiß ganz genau, was sie damit meint. "Diese Berührungen sind das, was unseren Beruf so wertvoll macht."
Im Internet:
blog.caritas-pflegeazubi.de
karriere.caritas-altenhilfe.de