Die „Dreamer“ aus Unterfranken machen Träume wahr
Wir neigen dazu, Erfolg eher nach der Höhe unserer Gehälter oder nach der Größe unserer Autos zu bestimmen als nach dem Grad unserer Hilfsbereitschaft und dem Maß unserer Menschlichkeit." Diese Worte stammen vom US-Bürgerrechtler Martin Luther King. Keinen Geringeren als diesen Kämpfer gegen soziale Unterdrückung und Rassismus hat sich die "I Have A Dream Group" (IHADG) aus Kirchlauter als Vorbild ausgesucht und sich nach seiner berühmten Rede benannt. Denn auch die sozial engagierten Jugendlichen aus Unterfranken haben einen Traum: Sie wollen die Welt gerechter machen - mit vielen kleinen und großen Aktionen.
Jung, aktiv, überzeugungsstark
Geboren wurde die Idee vor sechs Jahren im Pfarrgemeinderat der bayerischen 650-Einwohner-Gemeinde Kirchlauter. In diesem Gremium saß der ehemalige Ministrant Dominik Baum. Der damals 17-Jährige fragte sich, warum so viele Vereine Nachwuchsprobleme haben. "Ich drehte den Spieß einfach um, ging auf Gleichaltrige zu und fragte sie, wofür sie sich gerne engagieren würden und auf welche Aktivitäten sie Lust hätten", erzählt der heute 23-Jährige.
Aus einer kleinen Kerngruppe entwickelte sich schnell eine 20- bis 25-köpfige Truppe von Schülern, Studenten und Auszubildenden, die anfingen, für das SOS-Kinderdorf Oberpfalz Spielsachen und Kleider zu sammeln, auf dem Weihnachtsmarkt einen Stand zu organisieren und den traditionellen Kinderfasching fortzuführen, den bis dahin eine alte Dame betreut hatte. Außerdem installierte die Gruppe neben den Leergutautomaten in Supermärkten im Landkreis Haßberge Pfandboxen. Jeder Kunde kann dort seinen Bon für die Rückgabe der Pfandflaschen einwerfen und den Wert des Bons für soziale Zwecke spenden.
Der Erlös kann sich sehen lassen: In knapp sechs Jahren haben die Dreamer, wie sich die IHADG-Mitglieder selbst nennen, bei all ihren Aktionen rund 18000 Euro eingenommen. Das Geld kommt ausschließlich sozialen Zwecken zugute. Beispielsweise unterstützt die Gruppe den Kindergarten "Villa Kunterbunt", das SOS-Kinderdorf Oberpfalz, ihr SOS-Patenkind in Burundi, die Opfer des Taifuns auf den Philippinen oder eine Brunnenbau-Initiative in Indien.
Gemeinsam Gutes tun macht Spaß
Als Dominik Baum im dritten Jahr des Bestehens der Gruppe im Rahmen seines Bundesfreiwilligendienstes in einem Seniorenzentrum in der Nachbargemeinde Ebern arbeitete, nahm das Engagement der Jugendlichen Fahrt auf: Als "72-Stunden-Aktion" des Bundes der Katholischen Jugend gestalteten die Jugendlichen den verwahrlosten Spitalgarten komplett neu. Drei Tage lang schnitten sie Efeu und Büsche zurück, pflanzten Blumen und legten Beete neu an.
Seither gehören die Dreitages-Aktivitäten zum Standardprogramm der Gruppe: 2014 organisierten die Dreamer ein bundesweites Fußballturnier. Unter dem Motto "Tore gegen Rechts" warben sie mit dieser Veranstaltung für Vielfalt und Toleranz. Im Folgejahr porträtierten die Jugendlichen viele Aktive aus dem Landkreis in kurzen Videos, um dem Ehrenamt ein Gesicht zu geben. In diesem Jahr hat sich die Gruppe vorgenommen, einen Spielplatz in der Nachbargemeinde Ebern auf Vordermann zu bringen. Die Aktionen schweißen die Gruppe zusammen: "Wir verbringen drei Tage zusammen, zelten, gucken Filme, gehen essen oder in den Kletterwald und haben viel Spaß", sagt Dominik Baum.
Mit den gemeinschaftlichen Großeinsätzen macht die Gruppe über den Landkreis hinaus von sich reden und bekommt zudem viel Unterstützung. Die Dreamer dürfen in Kirchlauter einen Vereinsraum kostenlos nutzen, Bürgermeister und Landrat übernehmen Schirmherrschaften, 2014 werden sie mit dem Deutschen Bürgerpreis ausgezeichnet und 2015 wird Dominik Baum als jüngstes Mitglied von der Robert-Bosch-Stiftung ins Netzwerk "Die Verantwortlichen" aufgenommen. "Viele Menschen können sich von dieser Truppe eine Scheibe abschneiden", lobt die Stadträtin aus Ebern, Isabell Kuh.
Alle bestimmen, was gemacht wird
Ins Jahr der Verleihung des Ehrenamtspreises fällt auch die Vereinsgründung: "Wir haben uns als gemeinnützigen Verein eingetragen, weil wir so versichert sind und Spendenquittungen ausstellen dürfen", sagt Dominik Baum, der bis heute erster Vorsitzender ist. Das könnte sich aber bald ändern. Denn der IHADG-Gründer ist vor kurzem nach Kempten umgezogen, wo er Sozialwirtschaft studiert. Dort versucht er gerade, eine ähnliche Initiative zu starten. "Ein paar Interessierte habe ich schon beisammen", erzählt er.
Einmal im Monat treffen sich die Dreamer, um Pläne zu machen oder über Vorhaben demokratisch abzustimmen. Zwischendurch wird geskypt oder über die sozialen Netzwerke kommuniziert. Weil viele nach dem Schulabschluss wegziehen, ist die Fluktuation recht hoch, doch Nachrücker finden sich immer schnell. Mitglied werden kann man ab zwölf und mit bis zu 25 Jahren. Erwachsene sind unerwünscht. "Wir haben uns bewusst dafür entschieden, eine Jugendorganisation zu sein", sagt Baum. Deshalb mussten sich die IHADG-Mitglieder anfangs erst mal viel Wissen aneignen. "Es ist gar nicht so leicht, einen Verein zu managen, wenn man noch nie eine Steuererklärung gemacht hat", gesteht der Vorsitzende. "So wächst man - und wird erwachsen." Nur in einem Punkt macht der Jugendclub eine Ausnahme: Wer in jungen Jahren Mitglied ist, wird auch im "fortgeschrittenen" Alter nicht vor die Tür gesetzt. "Da finden wir schon eine Lösung", versichert Baum.