Ein vorübergehendes Zuhause
Robert Schmitt war Top-Manager im Gesundheitswesen, als es ihn mit 48 Jahren von einem Tag auf den anderen aus seinem damaligen Leben schleuderte. Ein geplatztes Aneurysma richtete irreversible Schäden im Gehirn an. Nach einem halben Jahr in verschiedenen Reha-Kliniken und weiteren Therapien konnte er den rechten Arm wieder bewegen und im Rollstuhl sitzen - damals gewaltige Fortschritte. Mehr an Bewegungsfähigkeit ist auch heute nicht möglich, dazu ist seine Sehfähigkeit eingeschränkt und das Sprechen fällt ihm schwer. Acht Jahr ist das jetzt her, seitdem wird er zu Hause in Fürstenfeldbruck von seiner Frau Gertraud mit Unterstützung von Pflegekräften versorgt. Die Krankenschwestern kommen abwechselnd am Vormittag, wenn seine Frau als Lehrerin in der Grundschule arbeitet. Man kann nur erahnen, welche physischen und psychischen Anstrengungen dieses veränderte Leben dem Ehepaar abverlangt. Ein- bis zweimal im Jahr nimmt sich Gertraud Schmitt eine Auszeit von ihrem Alltag, in dem neben der Pflege ihres Mannes und ihrer Berufstätigkeit wenig Raum bleibt.
Altenheim war nicht ideal
Nach einigen schwierigen Erfahrungen mit Kurzzeitpflege in Altenheimen entdeckten die Schmitts das Caritas-Wohnheim für Menschen mit Behinderung in Schonstett im Landkreis Rosenheim. Dort leben 76 Frauen und Männer dauerhaft. Ihre Körper- und Mehrfachbehinderung haben sie in der Regel im Erwachsenenalter erworben, zum Beispiel durch einen Unfall mit Schädel-Hirn-Trauma oder durch chronische Erkrankungen wie Multiple Sklerose. Sie kommen meist dann in die stationäre Einrichtung, wenn Angehörige fehlen, sie die Pflege nicht mehr leisten können oder ambulante Versorgungsmöglichkeiten nicht mehr ausreichen. Neben den festen Wohnplätzen bietet das Haus in der Trägerschaft des Diözesan-Caritasverbandes München und Freising auch fünf Kurzzeitpflegeplätze an. Im vergangenen Sommer kam Robert Schmitt das dritte Mal nach Schonstett und freute sich bereits Wochen vorher auf den Aufenthalt. "Die Pflegekräfte können sehr gut mit Behinderungen wie meiner umgehen", hat er festgestellt. Physio- und Ergotherapie, die er zu Hause jede Woche braucht, organisiert ihm die Pflegedienstleitung auch in Schonstett. Zusätzliche Betreuungskräfte haben auch Zeit, ihn im Rollstuhl durch den Ort zu fahren oder in den weitläufigen Park. "Ich bin näher an der Natur als zu Hause", sagt der 56-Jährige. "Wir bleiben mal stehen, pflücken Brombeeren, die über den Gartenzaun hängen. Das ist auch für mich Urlaub!"
Ich weiß, dort geht es ihm gut
Am meisten genießt er den unkomplizierten Umgang mit den anderen Bewohnern und die fröhliche Atmosphäre. Die Begrüßung "Hey, Robert, bist a wieder do!" bedeute für ihn, vom ersten Tag an wieder liebevoll aufgenommen zu werden. "Es ist für mich wie ein vorübergehendes Zuhause", sagt Robert Schmitt. Das gemeinsame Essen, vor allem aber auch die Beschäftigungsangebote förderten das Gemeinschaftsgefühl und strukturierten den Tag. Bei allen Einschränkungen sind ihm vor allem sein Humor und sein ausgeprägter Sinn für Sprachwitz geblieben. Beim gemeinsamen Gedächtnistraining, Rätselraten und Spielen sorgt er damit für große Heiterkeit. Auch den sonntäglichen Gottesdienst in der Hauskapelle, zu dem auch viele Dorfbewohner kommen, schätzt er. Früher hat er sich in seiner Pfarrei als Lektor und Kommunionhelfer engagiert. Jetzt ist es mühsam, mit dem schweren Rollstuhl in die Kirche zu kommen. In Schonstett gestalten die Bewohner den Gottesdienst mit, bereiten den Altar vor und sind als Lektoren tätig. "Da erlebt man die Gemeinschaft sehr intensiv."
Für Gertraud Schmitt ist es eine große Entlastung, ihren Mann in der Zeit ihrer Abwesenheit gut aufgehoben zu wissen. "Wenn er bei unserer Ankunft von der Heimleitung wie von den Bewohnern herzlich begrüßt wird, ist das ein gutes Gefühl für mich", sagt sie. Das hohe Engagement und das Einfühlungsvermögen der Pflegekräfte für die individuellen Wünsche der Bewohner überrasche sie immer wieder. "Ich gehe erleichtert weg, weil ich weiß, dort geht es ihm gut." Ihren anstrengenden Alltag beschreibt sie als "Stand-by" bei Tag und Nacht. "Ich bin nicht nur für mich verantwortlich, sondern ich muss ständig für uns beide denken: Habe ich die Pflegemittel bestellt? Brauchen wir ein neues Rezept für die Therapien? Ist die Vertretung der Pflegerinnen geregelt? In den drei Wochen, die sie in diesen Sommerferien bei ihrer Tochter und den Enkelkindern in Island verbringt, sei "das Gerät vom Strom genommen". Sie könne eine unbeschwerte Zeit bei der Familie verbringen, Ausflüge auf der Insel unternehmen und käme mit vielen freudigen Eindrücken wieder zurück. "Unser Aktionsradius ist durch die Behinderung meines Mannes sehr gering geworden", erklärt Gertraud Schmitt. "Länger als zwei Stunden kann ich ihn nicht ohne Betreuung lassen. Wenn ich nach drei Wochen völliger Ungebundenheit zurückkomme, bin ich wieder ganz zufrieden in meiner kleinen Welt."
Margit Rychly, die Leiterin des Wohnheims in Schonstett, erlebt die Menschen, die zur Kurzzeitpflege kommen, "immer als Bereicherung". Durch das enge Zusammenleben mit gemeinsamen Mahlzeiten, Freizeitgestaltung und Unternehmungen entwickle sich ein festes Sozialgefüge mit Regeln und Meinungs- und Interessengruppen, die auch manchmal schwierig sein können. "Da bringen Menschen, die außerhalb leben, neue Sichtweisen ein, und es kommt wieder Bewegung in die Truppe", so die Leiterin. Die Bewohner tauschten sich darüber aus, wie sie leben, mit ambulanter Versorgung zu Hause oder mit der Rundumversorgung im Wohnheim. "Denkanstöße sind wichtig", meint Rychly, denn manche trauten sich ein Leben mit ambulanter Betreuung nicht mehr zu, obwohl es vielleicht möglich wäre.
Viele Menschen kommen immer wieder zur Kurzzeitpflege nach Schonstett. Das sei doch ein Zeichen, dass sie sich hier wohlfühlten und die Angebote genießen könnten, meint Rychly. Auch das Pflegepersonal fühle sich dadurch bestätigt, dass das Konzept stimme und die Arbeit, die sie leisteten, geschätzt werde. "Wir sind ein ganz offenes Haus, integrieren uns in die Gemeinde des 1200 Einwohner zählenden Ortes Schonstett und unternehmen auch viel mit unseren Bewohnern." Das sei wichtig für die Atmosphäre. Robert Schmitt will wiederkommen.
Kurzzeitpflege: Wer zahlt was?
Die Kosten für eine Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI tragen in der Regel die Pflegekassen: die gesetzlichen Kassen aber höchstens für 28 Tage und bis zu einer Höhe von maximal 1550 Euro pro Kalenderjahr. Der Höchstbetrag ist unabhängig von der Pflegestufe und reicht fast nie für die 28 Tage, die im Gesetz stehen. Unter Umständen können auch Leistungen aus der Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI mit Leistungen der Kurzzeitpflege kombiniert werden. Nachfragen bei der Caritas-Pflegeberatung hilft.