Ein Jahr Wohnen im Grünen
Ein Jahr Wohnen im Grünen
Am Stadtrand von Görlitz liegt im Grünen, mit Blick auf die Landeskrone, die Wohnanlage "Hildegard Burjan". Über die bisherige Bilanz seit dem Erstbezug am 4. Oktober 2011 und der Einweihung am 12. Januar 2012 mit Bischof Wolfgang Ipolt äußert sich die Leiterin und Koordinatorin Beate Starre.
Welche Zielsetzungen führten zur Errichtung dieser Einrichtung und welche Erwartungen sind damit verbunden?
Sowohl die steigende Zahl von Menschen mit einer Demenz in der Stadt Görlitz als auch die Erfahrungen der Mitarbeiter der Caritas-Sozialstation "St. Hedwig" und des Altenpflegeheimes "Hildegard Burjan" führten zur Entwicklung des Konzeptes der Wohnanlage. Wichtig dabei war, ein Wohn- und Betreuungsangebot zu schaffen, dass Menschen mit einer Demenz ein sicheres Leben in der eigenen Häuslichkeit ermöglicht und Angehörige Entlastung finden.
Wie sieht die Bilanz nach einem Jahr aus?
Die Wohnanlage wird sehr gut angenommen. Unsere Ziele, drei Angebote bereitzustellen, sind auf einem guten Weg. So leben jetzt im Erdgeschoss der Wohnanlage in zwei Wohngemeinschaften jeweils elf Menschen mit einer Demenz zusammen. Diese werden durch die Mitarbeiter der Caritas-Sozialstation "St. Hedwig" rund um die Uhr betreut.
Innerhalb von zwei Monaten waren die im Obergeschoss befindlichen behindertenfreundlichen Zweiraumwohnungen vermietet. Unter anderem zogen hier zwei Senioren ins "Betreute Wohnen" ein, deren Ehepartner im benachbarten Altenpflegeheim "Hildegard Burjan" leben. Somit erfüllten sich gewünschte Synergieeffekte.
Das dritte Angebot der Wohnanlage, eine Tagesbetreuung für Menschen mit Demenz, befindet sich in der Endphase der Planung.
Wie sieht das Leben für die Mieter in den Wohngemeinschaften aus?
In der Wohngemeinschaft leben heißt für die Demenzerkrankten: Leben im Alltag, wie in der Familie. Es wird jeden Tag gemeinsam gekocht, die Wäsche gewaschen, die Wohnung gereinigt. Dabei ist unter anderem die Aufgabe des Betreuungsteams, die einzelnen Mieter zur Mithilfe zu motivieren, um Fähigkeiten der Einzelnen zu erhalten. Wir erleben, dass Fähigkeiten, die nicht mehr vorhanden waren, reaktiviert werden. Fast jeder Demenzkranke empfindet einen Verlust des Selbstwertgefühls, wenn er seine Defizite erlebt. So bieten das Leben mit einem klar strukturierten Tagesablauf und die Beteiligung an gewohnten Alltagstätigkeiten Sicherheit, Erfolgserlebnisse und das Gefühl, für Andere nützlich zu sein.
Und dabei geht es immer harmonisch zu?
So wie in jeder Familie auch herrscht nicht immer Harmonie. Jeder ist in seiner Demenzerkrankung anders. Wünsche und Bedürfnisse möglichst aller zu erkennen und unter einen Hut zu bringen, ist die größte Herausforderung für das Betreuerteam.
Ein heikler Punkt: das Wahrnehmen von Rechten bei Menschen, die diese nicht oder nur noch eingeschränkt selbst einfordern können.
Selbstbestimmung wird bei uns groß geschrieben. Zu jeder Wohngemeinschaft gehört ein Gemeinschaftsrat, in welchem der einzelne Mieter oder meist sein Angehöriger als gesetzlicher Vertreter seine Rechte wahrnimmt. Der Gemeinschaftsrat entscheidet unter anderem über die Höhe des Haushaltsgeldes, Anschaffungen, die Gestaltung von Feiern sowie gemeinsame Ausflüge, beispielsweise in den Tierpark.
Ein Jahr ist Geschichte, wie ist Ihr Ausblick?
Die Eröffnung der Tagesbetreuung, die als Angebot der Caritas-Wohnanlage noch fehlt, steht in nächster Zeit an. Bis zu acht Menschen sollen stundenweise jeweils montags bis freitags betreut werden, um pflegende Angehörige zu entlasten.
Die Zusammenarbeit mit dem angrenzenden Altenpflegeheim soll ausgebaut werden. Dazu zähle ich unter anderem die gemeinsame Organisation eines Weihnachtsmarktes. Diesen wird es in diesem Jahr am Samstag vor dem ersten Advent geben. Offen ist der Markt auch für Besucher des Wohngebietes.
Wir passen unser Konzept den aktuellen Gegebenheiten immer wieder an. Die größte Herausforderung sehe ich darin, das Konzept der Wohngemeinschaften mit dem ansteigenden Pflegebedarf der Mieter in Einklang zu bringen.
Interview: Raphael Schmidt