Begleitung statt Betreuung
Die Caritas-Sozialstation Magdeburg bietet für Menschen mit Demenz eine zusätzliche Betreuungsleistung an, die den betroffenen Personen helfen soll, die Aufgaben des täglichen Lebens zu meistern.
Menschen mit einem erheblichen allgemeinen Betreuungsbedarf haben bereits seit 2008 einen Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen, die von der Pflegekasse finanziert werden. Dies können niedrigschwellige Betreuungsangebote, Tagespflege oder Kurzzeitpflege sein. Auch die Einzelförderung durch einen ambulanten Pflegedienst, wie sie zum Beispiel von der Caritas-Sozialstation Magdeburg angeboten wird, gehört dazu.
Daniela Schulz, qualifizierte Betreuungsfachkraft der Caritas-Sozialstation Magdeburg, und Marianne Semrau, Pflegedienstleiterin, berichten im Interview über ihre Arbeit mit den Menschen mit einem erhöhten Betreuungsbedarf.
Wer hat einen Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen?
Menschen, die Symptome einer seelischen Erkrankung oder Demenz wie zum Beispiel Beeinträchtigung des Gedächtnisses, Weglauftendenzen oder aggressives Verhalten aufweisen, können bei ihrer Pflegekasse einen Antrag auf zusätzliche Betreuungsleistungen stellen. Die Pflegekasse prüft, ob ein erheblicher allgemeiner Betreuungsaufwand besteht. Wird der Antrag bewilligt, kann der Versicherte Leistungen in Höhe von 1.200 € jährlich in Anspruch nehmen, bei einem sehr hohen zusätzlichen Betreuungsaufwand sogar bis zu 2.400 € pro Jahr. Leider wissen jedoch noch immer viel zu wenig Versicherte über ihren Leistungsanspruch Bescheid.
Welche Betreuungsleistungen bieten Sie den betroffenen Personen an?
Wir sprechen sehr ungern von Betreuung, da dieser Begriff im allgemeinen Verständnis eher negativ besetzt ist und häufig mit Entmündigung und Verlust der Selbstbestimmung in Verbindung gebracht wird. Wir sprechen lieber von Begleitung, das heißt, wir begleiten die betroffene Person und ihre Angehörigen bei den Aufgaben des täglichen Lebens und im Umgang mit der Erkrankung.
In der Regel besuchen wir die Person für ein bis zwei Stunden pro Woche. Wenn gewünscht, können die Stunden auch über einen längeren Zeitraum gesammelt und der Besuch stattdessen auf drei bis vier Stunden ausgedehnt werden. Das ist ganz individuell.
In dieser Zeit begleiten wir die Person in ihrem Alltag und bei ihren Freizeitaktivitäten, wie zum Beispiel beim Einkauf, bei Arztbesuchen, bei Ausflügen in die nahe Umgebung, bei der Zubereitung von Mahlzeiten, beim Studieren der Tagespresse, bei kreativen Aktivitäten etc. Was banal klingt, ist für die Betroffenen richtige Arbeit. So gelingt es uns, dem Menschen immer wieder kleine Erfolgserlebnisse zu verschaffen und ihn in seinem Selbstvertrauen zu stärken. Wir zeigen ihm, dass er noch in der Lage ist, seinen Alltag zu meistern und für sich und andere nützlich zu sein.
Was können Sie für die Angehörigen tun?
Für die Angehörigen ist es oft eine große Herausforderung, mit der neuen Situation und dem lange schleichenden Prozess der Demenz umzugehen. So eine Erkrankung geht oft auch mit der Veränderung der Persönlichkeit des Betroffenen einher. Der/die sonst so liebevolle Ehemann, -frau, Mutter, Vater, den/die man über so viele Jahre zu kennen glaubte, ist plötzlich und unvorhersehbar in bestimmten Situationen aggressiv oder reagiert ganz anders als man es gewohnt ist. Wir bewundern die Angehörigen sehr, die es tagtäglich immer wieder schaffen, das Leben gemeinsam mit dem demenzerkrankten Menschen zu meistern. Bei diesem Prozess können wir den Angehörigen begleitend zur Seite stehen, ihnen emotionale Entlastung geben, zwischen ihnen und den Demenzerkrankten vermitteln, über die Erkrankung und die damit einhergehenden Veränderungen aufklären und ihnen Techniken zum Umgang mit dem Demenz-erkrankten aufzeigen. Wir unterstützen die Angehörigen dabei, sich nach außen zu öffnen und verschiedene Angebote wie z. B. Selbsthilfegruppen in Anspruch zu nehmen. Oft schämen sich die Angehörigen dafür, dass jemand aus ihrer Familie an Demenz erkrankt ist, sprechen außerhalb der Familie mit niemandem darüber und ziehen sich zurück. Dieses Schamgefühl versuchen wir aufzubrechen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Wir bemerken immer wieder, dass die ein bis zwei Stunden pro Woche, die von der Pflegekasse übernommen werden, nicht genug sind. Die Zusammenarbeit mit dem Betroffenen muss kontinuierlich stattfinden, um präventiv auf das Fortschreiten der Erkrankung wirken zu können und entlastend für die Angehörigen zu sein. Manchmal haben die Betroffenen beim nächsten Besuch eine Woche später bereits wieder vergessen, wer man ist und was man möchte, und die Beziehungsarbeit, die auch viel auf Vertrauen beruht, beginnt von vorn. Unserer Ansicht nach wären mindestens drei Stunden pro Woche erforderlich, um gezielt arbeiten zu können. Unser Ziel ist es, dass der demenzerkrankte Mensch so lange wie möglich in seiner gewohnten häuslichen Umgebung verbleiben kann.
Das Interview führte:
Eileen Dittmar,
Caritasverband für das Dekanat Magdeburg e. V.,
Assistentin im Bereich Ambulante Dienste
Kontakt
Ansprechpartner bei der Caritas
Marianne Semrau - Pflegedienstleiterin
Caritas-Sozialstation Magdeburg
Beethovenstraße 4
39106 Magdeburg
Telefon: 0391 5440233
Nicole Bunge - Pflegedienstleiterin
Caritas-Sozialstation Magdeburg
Leipziger Straße 43
39120 Magdeburg
Telefon: 0391 611860
Irina Hartkopf - Pflegedienstleiterin
Caritas-Sozialstation Schönebeck
Friedrichstraße 88a
39218 Schönebeck
Telefon: 03928 67335
Silke Herzog - Pflegedienstleiterin
Caritas-Sozialstation Calbe
Kleine Mühlenbreite 4
39240 Calbe
Telefon: 039291 2300