Fünf Mädchen = eine WG
Aus dem Wohnzimmer klingt lautes Lachen, die Mädchen - vier von fünfen sind daheim - nutzen die halbe Stunde nach dem gemeinsamen Mittagessen für einen kleinen Plausch in der Sofaecke. Dabei geht es offensichtlich nicht ganz ernst zu. "Mädchen-WG eben", erläutert Peter Lübbert nachsichtig lächelnd. Er betreut gemeinsam mit seiner Frau Heidi die Wohngruppe Hünfeld des Jugendhilfeverbundes St. Elisabeth - unterstützt wird das Ehepaar von einem kleinen pädagogischen Team, das großenteils auch schon langjährig zusammenarbeitet - wie zum Beispiel Christa Höfer, die bereits 25 Jahre mit dabei ist. Kürzlich konnten die Lübberts mit der Caritas-Jugendhilfe gemeinsam Jubiläum feiern: Seit 30 Jahren existiert dieses Angebot im Raum Hünfeld, das sich an 13 bis 18-jährige Jugendliche wendet, die aus ganz verschiedenen Gründen nicht bei ihren Eltern leben können.
Wenn solche Nöte von Jugendlichen sichtbar werden, wenn die Schulnoten herunter gehen oder der Streit im wahrsten Sinne des Wortes durch die Wände dringt, wenn das Jugendamt ins Spiel kommt, dann setzen sich Eltern, Vertreter der Behörde und Mitarbeiter des Jugendhilfeverbundes zusammen und besprechen mit dem Heranwachsenden gemeinsam, welche Lösungen es gibt, um den Konflikt zu entschärfen und erst einmal alle Beteiligten zur Ruhe kommen zu lassen. Der Einzug in die Wohngruppe Hünfeld ist dann eine mögliche Lösung - so wie für Kim, die erst vor 24 Stunden zu einem zweiwöchigen Probewohnen eingezogen ist und noch etwas zurückhaltend und mit einigen Zentimetern Sicherheitsabstand dem Treiben und der Neckerei der drei anderen Mädchen zwischen 15 und 17 Jahren neben sich auf dem Sofa zuschaut:"Hünfeld ist nicht ausdrücklich eine Mädchen-Wohngruppe", betont Peter Lübbert, "aber die Konstellation hat für die Mädchen beim Zusammenleben auch Vorteile wie ‚Frauengespräche‘, Rückzugsmöglichkeiten und Heraushalten bestimmter Thematiken und Problemstellungen, die an der Schule und in der Freizeit ansonsten im Teenageralter naturgemäß viel Raum einnehmen. Wir versuchen im Augenblick, dieses Konzept mit der Aufnahme von ausschließlich Mädchen in Hünfeld zu gestalten."
Die Mitglieder der Wohngruppe jedenfalls sind sich darin einig, dass sie gerade ohne Männer eine gute WG bilden. "Jungen würden hier nur stören", betonen Gita, Anna und Melek unisono. "Wir müssen hier ja auch alle mal kochen und alles sauber halten, das gäbe nur Stress, wenn Jungen dabei wären!" "Und bei nur einem Jungen hier im Haus - das wäre noch schlimmer, da gäb‘ es sicher schnell Zickenkrieg", ergänzt Gita. Sie ist zwar nicht die Älteste in der Runde, aber sozusagen die "Dienstälteste": "Ich wohne jetzt ein Jahr und acht Monate hier", rechnet sie nach. "Ich bin die Gruppensprecherin. Das heißt, ich treffe mich einmal im Monat mit den Gruppensprechern der anderen Wohngruppen in Fulda - das ist dann der Heimrat, in dem wir alles Wichtige bereden."
WG-Alltag wie in einer Familie
Die Schule und nachmittägliche schulische Verpflichtungen oder Freizeitaktivitäten wie Sport bestimmten den Tagesablauf in der Wohngruppe. Aufstehen sollte jede selbstständig, "…aber Peter oder jemand anderes von den Betreuern guckt dann irgendwann doch mal nach, ob wir auf sind", lacht Anna. Mittwochs gibt es mit dem sogenannten "Brötchenfrühstück" etwas Besonderes - dafür stehen alle Mädchen der WG auch schon mal früher auf als sonst. Das gemeinsame Mittagessen nach der Schule ist fester Bestandteil des Alltags. Reihum kochen die Mädchen einmal wöchentlich, und sie geben kichernd zu, dass Spagetti und Pizza doch häufiger auf dem Speiseplan stehen. Vielleicht bringt Neuling Kim als Vegetarierin interessante Impulse für den Speiseplan - die alte WG-Crew ist jedoch eher skeptisch und wird sicher einige Probeessen benötigen, um sich mit konsequent Fleischlosem anzufreunden. Doch so sind die Spielregeln, wer kocht, entscheidet auch, was es geben soll, wobei die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber unterstützend zur Seite stehen. Heidi und Peter Lübbert ist das gemeinsame Mittagessen mit den Jugendlichen sehr wichtig - denn dabei werden Erlebnisse ausgetauscht und Absprachen für den weiteren Tageslauf getroffen.
Wohngruppe und Familie Lübbert leben in engster und vielfach verflochtener Nachbarschaft in einem Doppelhaus. Die beiden Wohnungen sind durch eine Tür verbunden, die nachts zwar verschlossen, aber mit einer Klingel versehen ist, so dass jederzeit "Alarm" gegeben werden könnte. "Die Doppelhaus-Lösung ist ideal", sagt Peter Lübbert, " wir haben immer in großer Gemeinschaft gelebt, unsere leiblichen Kinder und auch zwei Pflegekinder waren mit einbezogen - mittlerweile ist nur noch unser jüngster Sohn im Haus. Natürlich steht für die Jugendlichen aus der Wohngruppe unsere pädagogische Aufgabe klar im Vordergrund, doch durch die fließende Grenze zwischen Familie und Wohngruppe können wir hier atmosphärisch vielleicht doch noch etwas mehr Geborgenheit bieten…" Peter Lübbert hält nachdenklich inne: "Es geht letztlich ja um genau das, was wir uns auch für unsere eigenen Kinder wünschen: Wir wollen die Jugendlichen in der Entwicklung ihrer Persönlichkeit unterstützen und erreichen, dass ihnen die Teilhabe am Leben der Gemeinschaft gut gelingt, dass sie eine Ausbildung machen, sich verselbstständigen und den Kontakt zu ihrer Familie klären können."
Die Herkunftsfamilien der Mädchen stehen mit der Wohngruppe und dem Team aus Sozialpädagogen und Erziehern im Kontakt. Die Zielvorgaben, mit denen Verbleib in der Wohngruppe, Familienbesuche u. ä. geregelt sind, werden halbjährlich in der so genannten Hilfeplanung getroffen.
Sicher - Wohnen in der Wohngruppe ist für die Hünfelder Mädchen letztendlich eine Notlösung - sie kamen, weil es anders nicht mehr weiter ging. Doch traurig geht es in der Wohngruppe keineswegs zu, und viele, die einen Teil ihrer Jugend in Betreuung der Lübberts und ihres Teams verbrachten, denken offenbar ganz gern an ihre WG-Zeit zurück - dies zeigte die Feier zum dreißigjährigen Bestehen der Wohngruppe, an der auch viele Ehemalige mit ihren Angehörigen teilnahmen.
Der Jugendhilfeverbund
Der Jugendhilfeverbund St. Elisabeth als Einrichtung des Diözesancaritasverbandes Fulda e.V. bietet ambulante, teilstationäre und stationäre erzieherische Hilfen an. Die Einrichtung gliedert sich in die Fachbereiche stationäre Wohngruppen und Inobhutnahme, Jugendwohngruppen, Sozialpädagogisch betreutes Einzelwohnen, Diagnostisch Therapeutisches Zentrum, Tagesgruppen sowie der Hilfe für Familiensysteme. Die Wohngruppe Hünfeld ist eines stationären der Angebote des Jugendhilfeverbundes.
Kontakt:
Jugendhilfeverbund St. ElisabethZum Schulzenberg 12, 36041 Fulda
Email: jugendhilfeverbund@caritas-fulda.de
Tel. 0661/95300-0
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Spenden zur Unterstützung der Kinder- und Jugendhilfearbeit sind online möglich: bitte dazu auf www.jugendhilfeverbund-fulda.de links den Spendenbutton anklicken.