Menschenwürdiges Sterben vorsorglich in Blick nehmen
Herr Schinner, in welchem Rahmen beschäftigen Sie sich mit der Materie?
Ich bin gesetzlicher Betreuer und unser Caritasverband ist ein staatlich anerkannter Betreuungsverein. Er ist deshalb dazu angehalten, über Vorsorgeverfügungen zu informieren. Ich mache das gerne, weil die Bevölkerung sehr daran interessiert ist. Das zeigt sich bei Vorträgen in Pfarreien, Krankenpflegevereinen und Seniorenkreisen.
Warum heißt das neue Werk Patientenvorsorge und nicht mehr Patientenverfügung?
Die Kirchen betonen damit, dass man sich möglichst vorsorglich mit Fragen der Gesundheit und des Sterbens auseinandersetzen soll. Daher werden nun neben der eigentlichen Patientenverfügung die Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung stark hervorgehoben. Ferner werden ganz konkrete Behandlungswünsche genannt, die man festlegen kann.
Wieso entspricht das neue Werk dadurch mehr dem neuen Recht, das im Bürgerlichen Gesetzbuch seit 2009 geregelt ist?
Es wird nun deutlicher, dass der Betroffene eine Vertretung durch eine Person seines Vertrauens für den Fall haben sollte, dass er nicht mehr selbst entscheiden kann: bei der Vorsorgevollmacht durch seinen Bevollmächtigten, bei der Betreuungsverfügung durch den vom Gericht bestellten Betreuer. Es ist wichtig, dass eine solche Vertretung den Willen des Patienten glaubhaft bezeugen kann: für den Betroffenen selbst, aber auch für die Ärzte, die dies häufig und zu Recht wünschen.
Warum werden jetzt Möglichkeiten konkreter Behandlungswünsche aufgeführt, und welche werden ihrer Erfahrung nach häufig angekreuzt?
Es hat sich herausgestellt, dass die verwendete grundsätzliche Formulierung "Ich will keine lebensverlängernden Maßnahmen" oft zu allgemein ist, damit der Arzt konkrete Entscheidungen treffen kann. Im Gesetz wird daher gefordert, den mutmaßlichen Willen "aufgrund konkreter Anhaltspunkte" zu ermitteln. In der Christlichen Patientenvorsorge kann man jetzt zum Beispiel ankreuzen, dass keine künstliche Ernährung über eine Magensonde erfolgen soll. Das wird auch häufig getan. Ich halte das Angebot vorformulierter Behandlungswünsche für sinnvoll, aber es sollten möglichst zusätzlich handschriftliche Ergänzungen gemacht werden, um den eigenen Willen glaubwürdiger zu bekunden. Dafür wird deshalb in dem Heft auch Raum gelassen.
Manche sagen, Patientenverfügungen machen keinen Sinn, weil der Wille im Sterbefall nicht letztlich feststellbar ist …
Die Ärzte erwarten zu Recht, den mutmaßlichen Willen zu kennen. Wenn man daher gar nichts vorher festgelegt hat, liegt die Entscheidung in der Hand des Arztes. Wenn man einen Willen hat, sollte man ihn daher vorher festlegen, zumal dieser Wille durch das Gesetz ja gestärkt worden ist. Ärzte müssen nun den Wünschen eines Patienten folgen, solange sie nicht ungesetzlich sind: Eine "aktive Sterbehilfe" - also etwa die Verabreichung eines Medikamentes, das gezielt tötet - ist in Deutschland nicht erlaubt. Und das begrüßen wir als Kirche und Caritas.
Gibt es denn auch Unterschiede zwischen dem, was der Gesetzgeber vorsieht, und der Christlichen Patientenvorsorge?
Nach dem Gesetz sind Verfügungen auch schon für Situationen möglich, bei denen die Sterbephase medizinisch betrachtet noch entfernt ist: zum Beispiel bei unfallbedingter Querschnittslähmung, anhaltenden schweren Schmerzzuständen, beim sogenannten Wachkoma oder bei Demenz. Nach der Christlichen Patientenvorsorge sollen die Verfügungen "passiver Sterbehilfe" auf die Sterbephase beschränkt bleiben. Wir sehen in ihr eine eigene Lebensphase, die verträglich und menschenwürdig gestaltet werden soll. In den Lebensphasen zuvor sollen Heilung und Erhalt des Lebens im Vordergrund stehen. Das entspricht ja auch der Ethik der Ärzte.
Weitere Informationen in folgenden Pressemitteilungen:
Christliche Patientenvorsorge bei Caritas erhältlich
Information über menschenwürdiges Sterben gefördert