Bauer Marheineke und sein Trecker
Einige Kilometer südlich von Hildesheim liegt die Heimstatt Röderhof, ein Wohnheim für Menschen mit geistiger Behinderung, malerisch in einem kleinen, von Wald und Feldern umgebenen Tal. Dort lebt Michel. Nur wenige Hundert Meter entfernt, am Waldrand, befindet sich das Gut Röderhof.
Die im 15. Jahrhundert vom Kartäuserorden gegründete Hofstelle wird in dritter Generation von der Familie Marheineke bewirtschaftet. Die Ländereien werden heute vom Bistum Hildesheim verwaltet. Der Seniorchef Heinrich Marheineke pflegt schon seit langem ein freundschaftliches Verhältnis zu den Bewohnern der benachbarten Heimstatt Röderhof. Fasziniert von den verschiedenen landwirtschaftlichen Geräten beobachtete Michel ihn oft bei der Feldarbeit. Heinrich Marheineke nahm Michel hin und wieder auf dem Trecker mit. So entstand nach und nach eine tiefe Verbundenheit, die sich in Michels Bildern widerspiegelt.
Die Hauptsache braucht auch einen Hintergrund
Wie vieles, so ist auch diese Bilderserie langsam gewachsen. In der Kunstwerkstatt der St.-Franziskus-Schule, die Michel besucht, zeichnete er zunächst den Bauern Marheineke und seinen Trecker auf ein Blatt Papier: die Hauptsache. Er fand, das genüge. Die Kunstpädagogin Brigitte Dammeier fordert ihn auf, den kahlen Hintergrund doch etwas zu füllen, das Bild sei ja noch gar nicht fertig. Michel war jedoch nicht gewillt, andere Menschen, Tiere oder Landschaften in sein Bild einzufügen. Er suchte nach etwas Außergewöhnlichem und fand in einem Bildband eine Abbildung der Pyramiden von Giseh. Und so zeichnete er die Pyramiden in den Hintergrund, malte die Flächen mit Wasserfarben aus, und das erste Bild der Serie "Bauer Marheineke reist zu den Pyramiden" war entstanden. Bestärkt durch das Interesse seiner Mitschüler ging Michel weiter konzentriert ans Werk, und so entstanden in den folgenden Monaten die Bilder "Bauer Marheineke ist von den Pyramiden weggefahren und kommt zu einem Esel", "Bauer Marheineke fährt an einem afrikanischen Dorf vorbei", "Bauer Marheineke reist auf einem Containerschiff von Afrika nach China" und "Bauer Marheineke an der Chinesischen Mauer". So zeichnet Michel in diesen fünf Bildern den Weg des Bauern über den afrikanischen Kontinent, über den Pazifischen Ozean hin zur Chinesischen Mauer. Anregungen fand er in verschiedenen Bildbänden.
Das letzte Bild der Serie, "Bauer Marheineke arbeitet auf einer Baustelle", spiegelt Michels Faszination für technisches Großgerät wider.
Und wer bekommt die Werke?
Allen Werken gleich ist die hohe Emotionalität, die den Betrachter berührt. Die Leichtigkeit der durchschimmernden Bleistiftzeichnung, die Transparenz der Wasserfarben und natürlich die Motive drücken eine große Bewunderung für den Bauern Ein starkes Trio: Heinrich Marheineke nebst Allradtraktor und Michel Beiersdorf in der Mitte. Mit dem Containerschiff auf dem Weg nach China. Kann nicht mehr weit sein; der Bauer sitzt abfahrtbereit am Steuer. Beim afrikanischen Dorf sollte mal geeggt und gedrillt werden, fand Michel. Krise in der Landwirtschaft? Jedenfalls muss Bauer Marheineke hier schon im Baugewerbe aushelfen. Mal so richtig die Wüste pflügen: Bauer Marheineke vor den Pyramiden. Die Detailfreude des Malers erweist sich in den jeweils anderen Anbaugeräten am Trecker. und sein Arbeitsgerät aus. Michel schafft es mit seinen Bildern, den Betrachter mit auf eine Reise zu nehmen.
Nicht nur zu den Stationen, die Bauer Marheineke besucht, sondern darüber hinaus zu seinen innersten Wünschen. Michels Serie über Bauer Marheineke und seinen Trecker ist bei der b.kunst-Ausstellung der Heimstatt Röderhof in der Citykirche St. Jakobi/Hildesheim zu sehen. Im Anschluss an die Ausstellung möchte Michel die Bilder seinem Freund Bauer Marheineke schenken.
b.kunst ist ein Projekt anlässlich der Caritas-Kampagne "Kein Mensch ist perfekt". Dabei entstehen in Workshops von Künstlern mit und ohne Behinderung in elf Caritas-Einrichtungen bundesweit Arbeiten, die in Ausstellungen präsentiert werden: Alle Orte und Termine unter www.b-kunst.de