Was braucht der Mensch am Sterbebett? Professionalität oder Mitmenschlichkeit?
Ausgewiesene Professionalität oder schlichte Mitmenschlichkeit: so ließe sich der Spannungsbogen beschreiben, unter dem die 12. Süddeutschen Hospiztage in Rastatt standen.
Die zugespitzt formulierte Frage ist in der Tat spannend. Denn die Sterbebegleitung entwickelt sich zunehmend zu einer organisierten und standardisierten Dienstleistung. Je mehr die Sterbebegleitung allerdings „professionalisiert" und damit auf ihre Qualität hin „kategorisiert" wird, desto mehr stellt sich die Frage nach der Zukunft von ehrenamtlicher Hospizarbeit. Braucht es sie überhaupt noch in Zeiten, in denen die „Sterbequalität" in entsprechenden Dienstleistungseinrichtungen zwecks besserer „Marktpositionierung" bereits Rankings unterworfen wird? Und warum braucht es sie möglicherweise noch?
Mehrfach wurde auf der Tagung in Rastatt herausgestellt, dass das Sterben immer mehr unter den Kriterien der Wirtschaftlichkeit „organisiert" wird. Das hängt vor allem mit der um sich greifenden Ökonomisierung der Medizin zusammen, die als „Produktionsprozess" auf Gewinnorientierung angelegt ist. „Wenn Menschen ökonomisch im Krankenhaus nichts mehr bringen, werden sie zum Sterben ins Hospiz abgeschoben", so Andreas Heller, Professor für Palliative Care und Organisationsethik an der Universität Klagenfurt. Heller outete sich als Gegner von professionellen Palliativstationen und machte sich für eine neue Sorgekultur von Bürgerinnen und Bürgern stark, um einer aus seiner Sicht besorgniserregenden Fehlentwicklung in der Hospizbewegung entgegen zu wirken.
In den Diskussionen und Gesprächen unter den über 200 Teilnehmenden ging es im Kern nicht so sehr darum, ob ein sterbender Mensch bei Bedarf fachkundig von ärztlichen oder pflegerischen Experten betreut werden soll oder darf. Kein Mensch muss zum Beispiel unnötige Schmerzen erleiden, wenn er dies nicht möchte. Darin waren sich alle einig. Der Knackpunkt, um den man kreiste, war vielmehr die Frage: Welchen Stellenwert hat das Sterben eines Menschen – für ihn selbst, für seine Angehörigen, für seine Umgebung, für die Gesellschaft? Ist es ein Prozess, den es einfach nur „gut" für alle Beteiligten zu „managen" gilt? Oder ist es ein höchst individuelles Geschehen, das jeder Mensch selbst bestehen muss, so dass die Frage höchstens lauten kann: Wen oder was will oder braucht dieser Mensch wirklich an seinem Sterbebett?
Die Herausforderung besteht darin, dies je neu von Mensch zu Mensch zu erspüren. Ihr müssen sich, das kristallisierte sich am Ende der Tagung heraus, die „Profis" genauso stellen wie die Ehrenamtlichen, wenn das Sterben „menschlich" bleiben soll. Unter dieser Voraussetzung, nämlich dem Sterbenden seinem Wunsch gemäß beistehen zu wollen und nicht bloß ein „Rädchen" in einem durchorganisierten und spezialisierten „Sterbemarkt" zu sein, haben beide ihren Platz am Sterbebett: die Experten und die Ehrenamtlichen. Die einen mit ihrer Professionalität in der medizinisch-pflegerischen Unterstützung, die anderen mit ihrer Zeit und Aufmerksamkeit. Das Anliegen von beiden sollte dabei sein, „die Ruhe des Sterbenden zu hüten", wie es Andreas Heller formulierte.
Die prägnanteste Antwort auf die Frage, wie viel Expertentum wir am Lebensende brauchen, kam schließlich von einer Hospizlerin, die Sterbende zu Hause betreut: „Sowenig Experten wie möglich, soviel Experten wie nötig", meinte sie und fügte vielsagend hinzu: „Auch eine warmherzige Nachbarin kann eine Expertin sein."