Verlässlichkeit von und für Frauen
100 Jahre Sozialarbeit von Frauen für Frauen ist eine feste Bank, Kontinuität für Anita Orgassa in vielerlei Hinsicht ein großes Thema. "Unsere Hilfe muss für die Frauen verlässlich sein", sagt die Geschäftsführerin des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) in Moers. Angebote dürfen keine Eintagsfliegen sein und von den immer wieder neuen, auf drei Jahre angelegten Projekten in der sozialen Arbeit hält sie wenig. Auch nicht von befristeten Verträgen und 400-Euro-Jobs, die sie aus dem gleichen Grund ablehnt und die es deshalb für ihre Mitarbeiterinnen nicht gibt. Der SkF ist damit nicht groß geworden, zählt auch heute nur 18 Mitarbeiterinnen. Aber er füllt seit der Gründung 1911 eine wichtige Nische in der sozialen Arbeit in Moers und im linksrheinischen Teil des Kreises Wesel aus.
Äußerlich hat sie sich zwar etwas verändert, aber "Armut bleibt weiblich", erklärt Orgassa die Grundidee, die zur Gründung des Verbandes geführt hat und die ihn auch heute noch trägt. Die Verelendung der Frauen im Zuge der Industrialisierung bewegte Agnes Neuhaus 1899, in Dortmund den "Verein vom guten Hirten" zu gründen. Schön zwölf Jahre später folgten engagierte katholische Frauen aus vielen Orten des Kreises Moers ihrer Idee und riefen als "Arbeitsgemeinschaft" 1911 den "Katholischen Fürsorgeverein für Mädchen, Frauen und Kinder" und heutigen Sozialdienst katholischer Frauen Moers ins Leben.
Dass Armut immer noch ein Frauenthema ist, wenn auch äußerlich nicht mehr so sichtbar, ist Orgassa an einem Erlebnis anlässlich der Jubiläumsfeierlichkeiten noch einmal bewusst geworden. Von schlaflosen Nächten berichteten ihr Frauen aus den Mutter-Kind-Gruppen. Sie hatten sich so darauf gefreut, einmal für zwei Stunden ihre Kinder betreut zu wissen und in ein Restaurant Essen gehen zu können. Ein für die meisten alltägliches Erlebnis, aber für die Frauen eben etwas ganz Besonderes. In vielen Stunden hatten sie gemeinsam Schmuck hergestellt und damit bei der offiziellen Jubiläumsfeier die Gäste begeistert. Der Verkaufserlös reichte für das gemeinsame Essen.
Von Anfang an gab es im SkF ein enges Miteinander von ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiterinnen. Für "die bürgerlichen Frauen" war es selbstverständlich sich sozial zu engagieren, so Orgassa. Teilweise hatten sie selber Pflegekinder aufgenommen und erlebten so die Not. Zu den damaligen Aufgaben zählte das Führen von Vormundschaften und die Vermittlung von Adoptionen, auch heute noch ein Aufgabenfeld des SkF Moers. Daneben gab es damals schon eine Zufluchtsstätte für sieben Mädchen und junge Frauen, das sogenannte "Vorasyl". "Gefährdete" Mädchen wurden zur Ausbildung in Klöster vermittelt, wo sie vor allem das Kochen und Nähen erlernen konnten, als Grundlage für ihre spätere Aufgabe als Hausfrau und Mutter.
Das enge Miteinander setzt sich heute fort. Regelmäßig trifft sich der ehrenamtliche Vorstand mit den hauptamtlichen Mitarbeiterinnen zum Arbeitsgespräch. Einzelne Fälle werden hier besprochen und nach Lösungen gesucht. Nach wie vor überwiegt die Zahl der ehrenamtlichen die der hauptamtlichen Mitarbeiterinnen. Allein im Frauenhaus sichert rund ein Dutzend von ihnen die Rufbereitschaft nachts, an Wochenenden und Feiertagen. Auch das ist für Anita Orgassa ein Aspekt von Verlässlichkeit.
Einen Bruch gab es allerdings in der NS-Zeit. Die Arbeit musste stark eingeschränkt werden und konnte nur unter der Hand fortgeführt werden, die Adoptionsvermittlung wurde dem Verein verboten. Mit der Einstellung der ersten "Fürsorgerin" 1950 startete der Wiederaufbau, die Schwangerschaftsberatung kam in den 70ern hinzu und das Frauenhaus des SkF Moers gehörte bei seiner Eröffnung 1982 zu den Ersten im Land. Darüber hinaus ist der SkF anerkannter Betreuungsverein, begleitet ehrenamtliche Betreuer und führt auch selbst rechtliche Betreuungen.
Neben Beratung und direkter Hilfe will der SkF Moers den Frauen vor allem auch "Orte der Begegnung" bieten, an denen sie Sorgen und Ideen austauschen und neue Kraft für den Alltag gewinnen können. Die Gruppen sollen feste Punkte im Leben bilden. Dabei ist es Anita Orgassa und ihren Mitarbeiterinnen wichtig, dass ihre Sozialarbeit "auf Augenhöhe" geschieht. Die Existenz muss gesichert werden, aber "ansonsten müssen wir die Frauen selbst entscheiden lassen, wie sie leben wollen - auch wenn das vielleicht nicht unseren eigenen Vorstellungen entspricht", sagt die Geschäftsführerin.