Autofahren? Das kann ich blind!
langsam umschließen seine Hände das Lenkrad, gleiten zum Schaltknüppel und machen sich mit den Armaturen vertraut. Andreas Atem geht flach, er ist sichtlich aufgeregt. "Bei der ersten Fahrstunde ist jeder nervös", beruhigt ihn sein Fahrlehrer. Da gehe es ihm wie 1000 anderen Jugendlichen auch, macht er seinem Schüler Mut. Klar, wer das erste Mal hinter dem Steuer sitzt, dem schießt auch mal das Adrenalin ins Blut. "Ein bisschen Herzklopfen habe ich schon", gibt Andreas zu, holt dann aber tief Luft und nickt zustimmend.
Überglücklich
Ein kleines Lächeln umspielt seine Mundwinkel, das langsam, aber sicher zu einem breiten Grinsen wird, als sich das Auto endlich in Bewegung setzt. Der 16-Jährige ist überglücklich. Er hört das Aufheulen des Motors, spürt den kühlen Fahrtwind - und sieht: nichts. Nur die Geräusche des surrenden Motors, den unebenen Straßenbelag und die ruhigen Anweisungen des Fahrlehrers nimmt er wahr. Und dennoch: Er fährt. Der von Geburt an blinde Andreas Döller fährt. "Es ist überwältigend!", ruft er.
Als der Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln gemeinsam mit den Ford-Werken bereits zum dritten Mal blinde und sehbehinderte Menschen auf das Testgelände des Autobauers einlud, wurde nicht nur für Andreas Döller ein Traum wahr. 30 Fahrschüler nutzten die Gelegenheit und waren im Juli aus ganz Deutschland angereist, um einmal selbst hinter dem Steuer Platz zu nehmen.
Kein Mensch ist perfekt
Die Aktion "Autofahren für blinde und sehbehinderte Menschen" ergänzte die aktuelle Caritas-Kampagne "Kein Mensch ist perfekt", die zeigen will, dass das gleichberechtigte Zusammenleben aller Menschen von Anfang an möglich ist. Diözesan-Caritasdirektor Dr. Frank Johannes Hensel: "Gesellschaft muss gemeinsam gestaltet werden. Und dazu gehört auch der Raum, in dem wir uns zusammen bewegen!"
Schon seit längerer Zeit beschäftigt sich die Politik in Zusammenarbeit mit den Behindertenorganisationen in Köln mit Lösungen für eine gleichberechtigte Teilnahme an einer mobilen Gesellschaft. Trotzdem warten immer noch viele Herausforderungen und Aufgaben. "Ziel des Projekts ist es, das Selbstbewusstsein der Teilnehmer im Umgang mit Autos zu stärken und sehende Menschen für die Probleme Sehbehinderter im Straßenverkehr zu sensibilisieren",
sagte Wolfgang Schneider, Mitglied der Ford-Geschäftsführung. Nach einer Podiumsdiskussion zur sicheren Mobilität, die Blinden und Sehbehinderten Informationen und Verantwortlichen Anregungen gab, wünschte der Schirmherr der Veranstaltung, Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters: "Einen unfallfreien Tag!" Die Hoffnung hat auch Andreas: "Hoffentlich bekomme ich den Wagen wieder zum Stehen", sagt er leicht beunruhigt, als er das Auto auf 120 Stundenkilometer bringt. Die Geschwindigkeit drückt ihn tiefer in den Sitz. "Jetzt mal gefühlvoll auf die Bremse gehen", sagt Fahrlehrer Jörg Weser und wiederholt: "Gefühlvoll!" Der 49-Jährige ist bei der Aktion "Autofahren für blinde und sehbehinderte Menschen" von Anfang an dabei. "Ich habe inzwischen ein Auge für Menschen mit Behinderung im Straßenverkehr bekommen und sensibilisiere auch meine Fahrschüler für eventuelle Gefahren", sagt Weser. Die kleine Fahrstunde mit Andreas hat ihm gefallen. "Es ist fast wie bei jedem anderen von meinen Fahrschülern: Erst kommt die Aufregung, dann der Spaß und dann das Gefühl von grenzenloser Freiheit!"
Anna Bossy