"Heute dreht sich mal alles um mich!"
Auf die Frage: "Was hat Euch heute am besten gefallen?" antwortet Marie*: "Dass ich nicht nach meinem Bruder gefragt worden bin."
Geschwister von schwer kranken Kindern sind stark belastet. Sie werden sehr früh in ihrem Leben mit Leid konfrontiert und müssen sich eher als andere Kinder mit sehr schweren Lebenssituationen auseinandersetzen. Alle Aufmerksamkeit gilt dem erkrankten Kind, die Geschwister fühlen sich oft verlassen. Die Eltern sind häufig sogar auf ihre Unterstützung angewiesen und auf ihr Verständnis für die schwierige Situation, denn die Sorge um das erkrankte Kind steht immer im Mittelpunkt.
Seit zwei Jahren leitet Gerburg Beerhues Geschwisterseminare für Kinder von 6 bis 12 Jahren. In der neuen Geschwistergruppe, die demnächst beginnt, wird sie unterstützt von Rainer Eisl, ihrem "ehrenamtlichen Assistenten". Beide kennen das Los betroffener Geschwisterkinder aus eigener Erfahrung und helfen den Kindern, sich mit ihrer Situation auseinander zu setzen.
Es wird viel gespielt in der Gruppe. Mal steht ein Kreisel im Zentrum, da geht es um Themen, wie: "Worum dreht es sich in meiner Familie?" oder "Heute dreht sich mal alles um mich!", ein andermal gestalten die Kinder ihren Lieblingsplatz. Beliebt ist auch das Spiel, in dem aus Teppichfliesen eine Skala von 1 bis 10 gelegt wird. 1 = stimmt, 10 = stimmt nicht. Und dann stellen sich die Kinder bei verschiedenen Fragen auf ein für sie passendes Feld. "Wer isst gerne Spagetti?" oder "Ich zeige, wenn ich richtig wütend bin." Geschwisterkinder warten oft, bis alle anderen sich entschieden haben. Es ist für sie wichtig zu lernen, ihre Wünsche zu äußern - und nicht erst zu überlegen, ob das, was sie wünschen, überhaupt realisierbar ist.
Ein wichtiges Thema in der Gruppe ist immer wieder: "Wie kann ich meinen Ärger loswerden?" Da kommen die Kinder auf sehr unterschiedliche Ideen: "Ich donnere meinen Kopf auf die Matratze!", sagt das eine. "Zum Weinen oder Schmollen nehme ich mir Zeit, bis es mir besser geht!", ein anderes. Gleichzeitig haben sie Schuldgefühle, weil sie ja gesund sind und das kranke Kind eigentlich unterstützen müssten.
In der Gruppe haben die Kinder einen Raum, um ihren Wünschen, Gefühlen und Fragen einen kreativen Ausdruck zu geben. Sie haben die Möglichkeit, Gedanken auszutauschen, nach individuellen Lösungen Ausschau zu halten und erfahren eine Anerkennung ihrer Kompetenz als Geschwisterkinder und für das, was sie täglich leisten. Und sie erleben, dass es ganz normal ist, manchmal wütend zu sein.
*Name geändert
Kontakt
Ambulantes Caritas-Hospiz Berlin
Geschwistergruppe
Pfalzburger Straße 18
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