Neue Jobperspektiven
aliyaa saba und Lara Möhlenbeck haben einen gemeinsamen Traum: eine Welt ohne Grenzen für Menschen mit Behinderung. Eine Welt, in der die beiden jungen Frauen auch ihre Berufswünsche verwirklichen können. Aliyaa Saba möchte gern in einem Restaurant oder in einem Hotel arbeiten. Lara Möhlenbeck möchte Veranstaltungskauffrau werden.
Noch etwas haben die beiden gemeinsam: Sie sitzen im Rollstuhl. Einen Teil ihres beruflichen Weges haben sie schon zurückgelegt. Doch wegen ihrer Behinderung stoßen sie immer wieder an Grenzen. "Oft, weil Menschen ohne Behinderung zu wenig darüber informiert sind", stellt Lara Möhlenbeck fest. Die 20-Jährige macht derzeit eine Ausbildung zur Bürokraft im Berufsbildungswerk des Josefsheims Bigge. Das Josefsheim ist ein Dienstleiter für rund 750 Menschen mit Körper-, Lern- und Sinnesbehinderungen. Aliyaa Saba arbeitet im Café Sonnenblick des Josefsheims - ein Arbeitsplatz, bei dem die Behinderung der 26-Jährigen kein Hindernis ist.
Selbst ist die Frau
Lara Möhlenbeck und Aliyaa Saba machen mit bei dem Projekt "We empower uS bH". Eine europäische Projektpartnerschaft mit acht Partnern aus fünf Ländern - Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation, Selbsthilfeverbände und die Technische Universität Dortmund als wissenschaftlicher Begleiter - hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Berufschancen für Menschen mit Spina bifida und Hydrocephalus zu verbessern. Das Josefsheim Bigge koordiniert die Initiative. Es wird von der Europäischen Kommission im Rahmen des Leonardo-Förderprogramms für lebenslanges Lernen finanziell unterstützt. Im Rahmen des Projektes fand auch eine dreitägige Zukunftswerkstatt in Nijmegen (Niederlande) statt.
Zukunftswerkstatt
Aliyaa Saba und Lara Möhlenbeck und über 40 weitere Betroffene waren dabei. Die Gruppe war gemischt: Schüler, Auszubildende, Beschäftigte in Werkstätten für Menschen mit Behinderung, Arbeitnehmer und Akademiker mit und ohne Job waren dabei. Die Teilnehmer arbeiteten in drei Schritten: zuerst eine Bestandsaufnahme und Kritik der bestehenden Situation, dann die Entwicklung eines Idealbildes und schließlich die Frage, welche realistischen Perspektiven daraus abgeleitet werden können. "Ziel unserer Arbeit ist es, ein Förderkonzept speziell für Menschen mit Spina bifida und Hydrocephalus zu entwickeln", sagt Martin Künemund, Projektleiter im Josefsheim Bigge. "Die Ergebnisse der Zukunftswerkstatt bilden dafür die Grundlage."
Aliyaa Saba war überrascht, dass in den beteiligten Ländern die Probleme der Betroffenen ähnlich sind. "Überall sind die Chancen auf dem Arbeitsmarkt begrenzt", sagt sie. Dazu gehöre auch, dass Regelschulen und Unternehmen nur selten barrierefrei zugänglich seien. "Oft fehlt auch das Vertrauen in die Fähigkeiten von Menschen mit Behinderung", ergänzt Lara Möhlenbeck.
Im Jahr 2030 …
Das Idealbild, das die Teilnehmer der Zukunftswerkstatt entwickelten, sieht anders aus: Im Jahr 2030 sind Gebäude barrierefrei zugänglich, jeder kann seinen Berufswunsch zumindest erproben, die
Forschung zum Behinderungsbild Spina bifida und Hydrocephalus ist weiter fortgeschritten, weltweite Mobilität ist auch für Menschen mit Behinderung möglich, persönliche Assistenz und technische Hilfsmittel sind verfügbar und bezahlbar. Projektleiter Martin Künemund: "Die Ergebnisse des Projekts sollen Menschen mit Behinderung, Selbsthilfeverbänden, Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation, Unternehmen, Kammern, Gewerkschaften, Politikern und der Europäischen Kommission zur Verfügung gestellt werden." "We empower uS bH" endet mit einer internationalen Fachtagung im April 2013 im Josefsheim Bigge.
Mario Polzer
Infos: www.josefsheim-bigge.de
Hintergrund
Spina bifida ist eine angeborene Querschnittlähmung. Sie entsteht, wenn sich zu Beginn der Schwangerschaft beim ungeborenen Kind die schützende Wirbelsäule um die Nerven und das Rückenmark nur unvollständig ausbildet. Hydrocephalus ist eine Störung des Hirnwasserkreislaufs, die ebenfalls meist vorgeburtlich entsteht. 80 Prozent der Kinder, die mit Spina bifida geboren werden, haben auch einen Hydrocephalus.