Flüchtlinge und Ausbildung: Gute und schlechte Nachrichten
Welche Ausbildung bringt Duldung?
Eine Ausbildungsduldung kann gewährt werden bei einer qualifizierten Ausbildung, deren Dauer mindestens zwei Jahre lang ist. Praktika und kürzere Ausbildungen zählen nicht dazu, sie gelten als eine ausbildungsvorbereitende Maßnahme - sie begründet keinen Anspruch auf Duldung. Angerechnet werden kann aber der Besuch von einer Berufsfachschule bis zu einem Jahr, wenn ein Ausbildungsvertrag vorliegt.
Wird eine Ausbildung nicht wahrgenommen oder abgebrochen, erlischt eine dafür gewährte Duldung. Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern können keine Ausbildungsduldung erhalten, wenn sie nach dem 31.8.2015 einen Asylantrag stellten, der abgelehnt wurde. Nach erfolgreichem Abschluss einer Ausbildung besteht ein Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis, wenn Voraussetzungen wie Klärung der Identität und Erfüllung der Passpflicht erfüllt sind.
Wo es läuft
Das Zentrum Arbeit für Flüchtlinge (ZAF) im badischen Emmendingen hat im letzten Jahr 233 Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt vermittelt. In der gemeinsamen Anlaufstelle von Jobcenter, Landratsamt und Agentur für Arbeit sind sechs Arbeitsvermittler des Jobcenters tätig und eine Beraterin der Agentur für Arbeit. Dazu kommt eine "Kümmerer-Stelle" des Kreises, die sich zwei Sozialarbeiterinnen teilen. Die Motivation der Arbeitssuchenden sowie die hohe Bereitschaft der Arbeitgeber hätten dazu geführt, dass viele Flüchtlinge eine Chance erhielten. "Sehr viele Vermittlungen kamen auch über Ehrenamtliche zustande" sagt Gerd Heidiri, Leiter des ZAF. "Ohne deren Hilfe und Netzwerk hätten wir das nicht geschafft."
2018 will Heidiri die Zahl der integrierten Flüchtlinge steigern. Den Grund sieht er in den besser werdenden Sprachkenntnissen nach Absolvierung der Sprachkurse - und in der breiten Angebotspalette des ZAF. So werde zum Beispiel in Herbolzheim eine "Orientierungswerkstatt" für junge Menschen finanziert, die eine handwerkliche Ausbildung beginnen möchten; in Waldkirch würden Flüchtlinge bis zur Aufnahme einer Berufsausbildung und darüber hinaus betreut. Um diese Ziele zu erreichen, will das ZAF dieses Jahr aber auch eine Veranstaltung für Ehrenamtliche organisieren und die Beziehungen untereinander stärken.
Wenn etwas wächst
Erst waren sie Fremde, jetzt sind es Maryam und Hazzaa. Entscheidend ist immer der menschliche Kontakt. Aus Begegnung wachsen Sympathie und Interesse, aus Respekt und Solidarität werden Nachbarschaft und Freundschaft. Wie es ganz einfach gelingen kann, miteinander zu leben.
Was können Ehrenamtliche tun, um Flüchtlingen zur Ausbildung zu verhelfen?
• Sie klar informieren, um was es bei einer angebotenen Ausbildung genau geht.
• Sie durch Konversation und Nachhilfe beim Deutschlernen unterstützen.
• Sie darin bestärken, trotz teils schwieriger Gegebenheiten (Unterkunft) arbeitstäglich pünktlich und ausgeruht an Praktikums- oder Arbeitsstätte zu erscheinen und das Vertrauen von Arbeitgebern zu rechtfertigen.
• Im Freundeskreis nach Möglichkeiten für ein Praktikum oder eine Lehrstelle suchen helfen.
• Handwerker oder Unternehmer, mit denen man bekannt ist, ansprechen, um Verständnis und Interesse zu wecken.
• Sich während Praktikum oder Ausbildung immer wieder als Vermittler anbieten und einsetzen.
Wo nichts sicher ist
Mohammadali Gholami hat seit 2017 die Fahrradwerkstatt in der Augsburger Flüchtlingsunterkunft "in vorbildlichster Weise geleitet, er packt an, bringt sich ein und hat sehr ausgleichend auf die anderen Mitbewohner eingewirkt": So beurteilt ihn Werner Neumann vom Caritasverband für die Diözese Augsburg. "Gholami würde ich, wenn ich ein Unternehmen hätte, sofort bei mir einstellen." Die Ausländerbehörde will ihn abschieben wegen Identitätsverweigerung. Gholami kann keine Tazkira vorweisen, das ist der afghanische Personalausweis. Den müsste er bei der Botschaft beantragen und in Kabul einen Anwalt damit beauftragen. Kosten: 3000 Euro. Gholami hat das Geld nicht. Drum ist er in Abschiebehaft statt in der Fahrradwerkstatt.
Wo es klemmt
Trotz Ausbildung abgeschoben: Was war los, wenn man solche Nachrichten hört?
Das Integrationsgesetz ist seit 2016 in Kraft, aber es wird nicht überall gleich umgesetzt. Bundesländer wie Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen machen möglich, was die Intention war: den auszubildenden Flüchtlingen und ebenso ihren Ausbildungsbetrieben Planungssicherheit zu geben und den desolaten Lehrlingsmangel in Handwerks und Ausbildungsberufen zu verringern.
Wo es funktioniert, sagt Fachmann Uli Schneider vom Caritasverband Breisgau-Hochschwarzwald, da sind die Hälfte der Bäckerlehrlinge Flüchtlinge und Migranten. Auch bei Malern und Mechatronikern ist ihre Quote fast ebenso hoch. Schneider kümmert sich täglich darum, die Vernetzung von Betrieben, Berufsschulen und Arbeitsagenturen zu betreiben und die Motivation der Lehrlinge auch hoch zu halten. Aber er weiß auch: Sein Bundesland Baden-Württemberg ist ebenso wie Bayern kein sicherer Garant von Ausbildung und Berufsnachwuchs. Hier gibt es statt einer Aufenthaltserlaubnis für Lehrzeit und erste Berufspraxisdauer nur eine Ausbildungsduldung - die wird nach undurchsichtigen Entscheidungen von Ausländerbehörden auch mal widerrufen. Es kommt vor, dass Lehrlinge von der Werkbank oder Schule durch die Polizei abgeholt, weg zum Flugplatz gebracht und abgeschoben werden. Alle Bemühungen der Ausbildungsbetriebe, die Unterstützung durch Jobcenter, Rechtsberater und Caritas sind vergebens; die Sachbearbeiter der örtlichen Ausländerbehörden haben keinen Ermessensspielraum, den sie positiv nutzen könnten. So schaffen wir das? Bestimmt nicht, dem Arbeitsmarkt der Ausbildungsberufe die oft verzweifelt gesuchten Fachkräfte zu beschaffen - und erst recht nicht die Integration von Flüchtlingen in Arbeit und Gesellschaft.
Zudem muss die Ausländerbehörde erst eine Arbeitserlaubnis gewähren: Die gibt es nicht bei fehlenden Dokumenten und Identitätsnachweisen, die oft den Flüchtlingen angelastet werden. Aber auch wo Dokumente vorliegen, spielen Ausländerbehörden oft nicht mit: unter Verweis auf geplante oder bevorstehende Abschiebung. In Hamburg oder Berlin, aber auch in Hessen werden Lehrstellenanwärter nur abgelehnt, wenn sie Straftaten begangen haben. Unsinnig ist die Verweigerung von Integrationskursen und damit verbundenem Deutschunterricht. Wenn Flüchtlinge selbst Deutsch lernen wollen, müssen sie für Kurse hohe Teilnahmegebühren zahlen: Dabei sind Deutschkenntnisse der Schlüssel überhaupt zu jeder Qualifikation und Integration.
Wo es klappt
Hassine Bdira kam 2011 aus Tunesien nach Deutschland. 2017 hat er die dreijährige Ausbildung zur Pflegefachkraft im Clemenshaus der Caritas Wiesbaden abgeschlossen und arbeitet seither dort. Geholfen haben ihm der Integrationskurs, ein berufsbezogener Sprachkurs und ein fünfwöchiges Praktikum im Clemenshaus im November 2013. "Wir haben sein Potenzial erkannt und ihm einen Ausbildungsplatz bei uns angeboten", erzählt Anja Krug, Pflegedienstleitung im Clemenshaus. Ein Vorteil für ihn war, dass der in Tunesien erworbene Schulabschluss in Deutschland anerkannt wurde. Probleme im Haus hatte er bisher nicht - weder mit Bewohnern noch mit den Kollegen. "Wir haben generell ein multikulturelles Team", sagt Anja Krug. Es gibt unter anderem Mitarbeiter aus Marokko, Afghanistan, aus verschiedenen afrikanischen Ländern, Portugal und Polen. Derzeit sind auch Geflüchtete als Praktikanten im Clemenshaus tätig. Sofern sie sich als geeignet erweisen, werden auch ihnen Ausbildungsplätze angeboten. Einige Praktikanten kommen über das Projekt Hauptschulabschluss für Geflüchtete. "Wir haben bisher eigentlich nur gute Erfahrungen gemacht", sagt Anja Krug.
Wie man lernt
Die Kolping-Altenpflegeschule in Stuttgart schult und bildet Flüchtlinge nach dem "3 + 2-Modell": drei Jahre Ausbildung plus zwei Jahre Aufenthaltsrecht. Sie schließt dazu mit den Auszubildenden einen Fünfjahresvertrag ab, der die zweijährige Berufsfachschule und die Fachkraftausbildung umfasst. Ziel ist das Sprachlevel A 2, ein Hauptschulabschluss ist nötig, kann aber durch persönliche Eignung ersetzt werden. Die Erfolge geben recht: Die Motivation der angehenden Altenpfleger ist sehr hoch, ebenso Lernbereitschaft und Solidarität.
Wie nichts geht
Die Akademie der Nationen (ADN) des Diözesan-Caritasverbandes für München und Freising kritisiert die Unterbringung von Asylsuchenden in großen Transitzentren wie in Manching/Ingolstadt. "Die Menschen leben am Stadtrand, dürfen keine Sprachkurse besuchen, nicht arbeiten, haben nur ein kleines Taschengeld, die Kinder besuchen keine Kindertageseinrichtung und nur wenige die Regelschule. Alles ist hier auf Exklusion ausgerichtet", urteilt Gabriele Störkle, Fachdienstleitung Asylsozialberatung der Caritas im Transitzentrum in Manching. Den Plänen der Bundesregierung, das bayerische Transitzentrum als bundesweites Modell zu übernehmen, erteilte Störkle eine klare Absage. Alles, was integrative Wirkung zeige, würde dort untersagt. Asylverfahren würden innerhalb von vier bis fünf Tagen abgewickelt und kein Mensch könne sich in so kurzer Zeit über seine Rechte kundig machen.