„Kinder sind ein Armutsrisiko“
In Bayern läuft die Konjunktur auf Hochtouren, dennoch haben Sie in der Schuldnerberatung alle Hände voll zu tun.
Leider bedeutet eine gute Konjunktur nicht automatisch, dass es allen gutgeht. Es kann sogar sein, dass die gute Konjunktur die Ungleichheit noch weiter verschärft. Das ist wie bei der sinkenden Arbeitslosenquote, die zulasten des allgemeinen Lohnniveaus geht und die Anzahl derer, die mit Sozialleistungen (Hartz IV) den Lohn aufstocken müssen, vergrößert.
Wer kommt zu Ihnen in die Schuldnerberatung?
Die Klientel einer Schuldnerberatungsstelle ist sehr vielfältig, sie reicht vom Hartz-IV-Empfänger über die Rentnerin bis zum Facharbeiter. Schulden zu haben ist ja heute fast normal und zieht sich durch alle Gesellschaftskreise. Schwierig wird es meist erst dann, wenn beispielsweise ein Schicksalsschlag eintritt, Menschen psychisch oder physisch erkranken, arbeitslos werden, den Partner verlieren, mit dem selbstständigen Unternehmen scheitern oder sich einfach finanziell übernehmen.
Gelten Kinder als Armutsrisiko? Was kosten Kinder?
Kinder als Armutsrisiko zu bezeichnen tut weh. Aber dennoch ist es wahr, dass viel zu viele Kinder in Deutschland von Armut betroffen sind. Es ist teuer, ihnen gerechte Bildungs- und Teilhabechancen zu ermöglichen. Kinder kosten heute viel mehr, denn noch nie wurden Menschen so stark danach bewertet, was sie haben und darstellen. Das funktioniert bereits unter Kindern. Ausgegrenzt wird, wer die "falsche" Kleidung trägt oder kein Handy hat. Eltern mit geringem Einkommen haben oft keine andere Chance, als größere Anschaffungen per Kredit zu finanzieren oder den Dispo zu erhöhen. Der beste Schutz vor Armut ist die Erwerbstätigkeit beider Elternteile, darum ist die verlässliche und kostenfreie Kinderbetreuung für Familien mit geringem Einkommen eine wesentliche Forderung an die Politik, um Kinderarmut zu reduzieren.
Was müsste passieren, um die Menschen besser vor Überschuldung zu schützen?
Darüber könnte ich ein Buch schreiben. Um aber einige Stichworte zu nennen, würde ich beim Verbraucherschutz ansetzen, weil sich im Bereich von Überschuldung und Inkasso viele schwarze Schafe tummeln, denen es nur darum geht, die Not der Menschen auszunutzen. Banken würde ich zu ethischer Kreditvergabe verdonnern und Bildungsmaßnahmen auflegen, die Menschen darüber informieren, wohin sie sich in Notsituationen wenden können.
Gelingt es, den Menschen wieder eine Perspektive zu geben?
Wir klären existenzielle Fragen, so dass die Menschen wieder Miete und Strom zahlen können, entwickeln Entschuldungspläne, reden mit Gläubigern oder leiten eine Insolvenz ein. Manchmal erlebe ich, dass jemand nach einem Gespräch mit uns sagt: "Jetzt habe ich wieder Hoffnung."