Handarbeit als Therapie
Als Lydia (Name geändert) ganz langsam mit einer Drechselröhre einen schmalen Korpus bearbeitet, weiß sie, dass das fertige Werkstück bald im Laden zum Verkauf ausliegt. Nach und nach entsteht in der Hobbywerkstatt im Keller des Oberhausener Caritas-Hauses das Hauptstück eines feinen Füllers aus Olivenholz. Die Werkstatt ist ein Projekt des Fördervereins "Claudia", der in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen feierte. Der einzigartige Verein im Bistum Essen unterstützt Hilfsangebote der Kontakt- und Beratungsstelle des Caritasverbandes.
Freizeitmaßnahmen und Angebote zu Tagesstruktur
"Der Verein fördert Angebote für psychisch erkrankte Menschen und sichert sie in finanziell schwierigen Zeiten", erklärt Bärbel Hülsermann, Verbindungsfrau der Caritas zum Verein und hauptamtliche Beraterin der Kontakt- und Beratungsstelle. Oberstes Ziel sei der Erhalt und die Verbesserung der Lebensqualität betroffener Menschen. Vor mittlerweile zehn Jahren wurde der Verein gegründet, weil Pauschalfinanzierungen für die offene Arbeit mit psychisch Kranken reduziert wurden und verschiedenste Angebote für diesen Personenkreis gefährdet waren.
Gemeinsam suchten psychisch erkrankte Besucher, Mitarbeiter, Ehrenamtliche und Angehörige Lösungen und entschieden sich, mit der Vereinsgründung selbst etwas gegen diese negativen Entwicklungen zu tun. Seitdem konnte der Verein mit derzeit 35 aktiven Mitgliedern viel bewirken: Freizeitmaßnahmen und Angebote zu Tagesstruktur konnten nicht nur erhalten, sondern sogar ausgebaut werden. Die offene Beratung für Betroffene und Angehörige ist ein wichtiger Bestandteil der Arbeit in der Beratungsstelle geblieben.
Aber auch in Notsituationen kann der Verein unbürokratisch helfen. Hülsermann: "Da geht es zum Beispiel darum, ein Haustier bei langen Krankenhausaufenthalten zu versorgen oder ein Mini-Darlehen muss her, wenn die Waschmaschine kaputt ist." Da im Vorstand des Vereins selbst Betroffene mitarbeiten, kennen sie die Probleme, Schwierigkeiten und Bedürfnisse von psychisch erkrankten Menschen - und können einschätzen, welche Hilfen notwendig sind.
Aktivitäten, die das Leben der Betroffenen bereichern
Die kleine Hobbywerkstatt für hochwertiges Kunsthandwerk gibt es seit drei Jahren. Was Lydia und derzeit fünf andere Menschen mit einer psychischen Erkrankung hier herstellen, wird im Online-Shop des Vereins und im Caritasladen an der Mülheimer Straße 111 verkauft. Neben den Füllern gibt es weitere Holzprodukte wie Schalen, Kerzenhalter, Schlüsselanhänger und vieles mehr. "Unsere Schreibgeräte kosten zwischen 25 und 80 Euro; ein Olivenholzfüller mit vergoldeter Feder etwa 70 Euro. Und jedes Teil ist ein Unikat", berichtet Bärbel Hülsermann.
Der Vereinsname "Claudia" basiert auf einer traurigen Begebenheit aus den 1970er Jahren: dem Suizid einer psychisch erkrankten jungen Frau. Claudia, die sich im Alter von 20 Jahren damals das Leben nahm, fand keinen Ansprechpartner, an den sie sich in ihrer Not wenden konnte. Die Namensgebung zeigt den entschlossenen Willen der Aktiven, Hilfen für diesen Personenkreis weiterzuentwickeln. "Erst nach 1980 im Rahmen der Psychiatrie-Enquete wurden Sozialpsychiatrische Zentren und Kontakt- und Beratungsstellen eingerichtet", erklärt Hülsermann. "Hilfen für psychisch Kranke haben sich seitdem zwar grundsätzlich verändert und verbessert, allerdings werden Angebote und Aktivitäten, die das Leben der Betroffenen trotz ihrer Krankheit bereichern, nicht ausreichend gefördert."
Neues Selbstbewusstsein
Zurück zu den Angeboten des Fördervereins beim Marina-Markt: "Wie die Teilnahme an anderen Handwerker- und Weihnachtsmärkten ist der Verkauf unserer Produkte beim Hafenfest ein Highlight nach monatelanger kunstvoller Arbeit." Alle aktiven Mitglieder des Vereins wie auch die Teilnehmer des Werkstattprojektes freuten sich darauf, berichtet Bärbel Hülsermann. "Psychisch Erkrankte erfahren hier, dass ihre Produkte geschätzt und begehrt sind."
Rückblickend auf zehn Jahre Förderverein und drei Jahre Arbeit in der Hobbywerkstatt ziehen Bärbel Hülsermann und Norbert Nilkens ein positives Fazit. Für Hülsermann zählt vor allem, dass kranke Menschen durch die Projekte des Fördervereins ihr Leben wieder mit neuem Selbstbewusstsein angehen. Nilkens: "Es bleibt schwer, mit einer psychischen Krankheit zu leben. Wer aber gefragt ist und gebraucht wird, kann der Krankheit etwas entgegensetzen. (Ulrich Wilmes)