Kleine Schritte, große Erfolge
„Und dann kam ein Lächeln.“ Schmunzelnd erinnert sich Diplom-Psychologe und Bereichsleiter Benedikt Bauer an seine Anfangsjahre in der Frühförderstelle des Caritas-Zentrums St. Vinzenz in Ingolstadt. Wochenlang hatte er in den Therapiestunden mit Stoffen, Klängen und Berührungen verschiedenste Sinnesreize gesetzt, um Kontakt zu dem schwerstbehinderten Kind aufzubauen. Keine Reaktion - bis zu diesem Lächeln. Für Bauer war diese minimale Regung der große Durchbruch: „Okay, du darfst wiederkommen!“, sagte ihm der Junge damit.
Es ist ein Weg der kleinen Schritte und gleichzeitig der großen Erfolge, den Benedikt Bauer und seine sechs heilpädagogischen Kolleginnen in der Frühförderstelle beschreiten. Es geht nicht nur darum, die Defizite zu erkennen, sondern vor allem darum, die vorhandenen Fähigkeiten auszubauen. „So können wir das Selbstbewusstsein des Kindes stärken.“ Bauer und die Mitarbeiterinnen nutzen Bälle, Stifte, Knete oder verschiedenste andere Anregungen. Spielerisch nähern sie sich ihren kleinen Klienten. „Sich Zeit lassen“ ist die wichtigste Regel, denn das Kind gibt das Tempo vor. „Man darf nie zu viel wollen, und plötzlich kommt der Erfolg“, weiß der Diplom-Psychologe aus Erfahrung.
Einen guten Start bieten
Zwischen null und sechs Jahre sind die Kleinen alt. Bei einigen wird die Behinderung schon bei der Geburt festgestellt, andere zeigen erst allmählich, dass sie hinter die Entwicklung ihrer Altersgenossen zurückfallen. Sie lernen beispielsweise schwer sprechen oder haben motorische Störungen. Manche ziehen sich zurück oder haben Schwierigkeiten im Sozialverhalten.
Dann reagieren Eltern, Erzieher oder Ärzte und wenden sich an die Frühförderstelle. „Unser Ziel ist es, den Kindern einen guten Start ins Leben und, wenn möglich, den Besuch einer Regelschule zu ermöglichen“, erklärt Bauer. Vor der Therapie ist eine ausführliche Diagnostik notwendig. Das Team bietet seine Leistung sowohl mobil, in der Umgebung des Kindes, als auch ambulant in den Räumen der Frühförderstelle an. Ein- bis zweimal in der Woche besuchen so die Heilpädagoginnen die Kleinen im Kindergarten oder zu Hause. Außerdem arbeiten sie mit Logopäden und Ergotherapeuten zusammen. Wenn intensivere Hilfen erforderlich sind, vermitteln sie weiter, zum Beispiel an die heilpädagogische Tagesstätte des Caritas-Zentrums St. Vinzenz oder an schulvorbereitende Einrichtungen der Förderschulen oder andere spezialisierte Einrichtungen.
Eltern entlasten
Für die Eltern ist das Angebot der Frühförderstelle eine große Stütze. Sie erfahren, dass sich jemand um ihr Kind kümmert und dass es Fortschritte macht. Außerdem erhalten sie Anregungen für den Alltag. Benedikt Bauer weiß um die große Verantwortung der Eltern. „Ich habe einen riesigen Respekt vor ihrer Leistung“, bekräftigt er. „Niemand kann es sich vorstellen, was es bedeutet, die Verantwortung für ein behindertes Kind zu tragen.“ Viele Eltern eigneten sich ein enormes medizinisches Spezialwissen an und steckten beruflich zurück, um bestmöglich für ihr Kind zu sorgen. An der politischen Diskussion, ob eine vorgeburtliche Blutuntersuchung zur Feststellung der Gen-Gesundheit des Kindes, der sogenannte Praena-Test, zur Regelleistung der Kassen werden soll, mag er sich nicht beteiligen. „Was bedeuten schon Wahrscheinlichkeiten? Der Mensch kann damit nicht umgehen. Ob es eins zu hundert oder eins zu tausend heißt - die Möglichkeit, ein behindertes Kind zu gebären, ist plötzlich ganz nah. Die Zahlen beruhigen nicht.“
Benedikt Bauer sieht seine Aufgabe vielmehr darin, gemeinsam mit seinem Team den Familien zur Seite zu stehen, ihnen Mut zu machen und die Entwicklungschancen ihres Kindes aufzuzeigen. Dabei ist es ihm sehr wichtig, den Druck von den Eltern zu nehmen. „Wir motivieren sie zu ganz normalen Freizeiterlebnissen mit ihren Kindern wie Schwimmen oder Radfahren, unabhängig von den notwendigen Übungseinheiten“, sagt er, „Eltern müssen keine Co-Therapeuten sein, sie dürfen auch einfach nur Eltern sein.“