Zerrissene Flüchtlingsfamilien
"Familie schaffen wir nur gemeinsam", heißt das Motto der Caritas-Jahreskampagne. Eine Grundvoraussetzung dafür ist, dass Familienmitglieder zusammenleben können. Leider ist das bei Flüchtlingsfamilien nicht immer der Fall. Besonderes Aufsehen erregte das Schicksal einer von mir betreuten tschetschenischen Familie in Windsbach. Gott sei Dank hat es hier ein vorläufiges doppeltes "Happyend" gegeben: Die Familie durfte sich über die Geburt eines Sohnes freuen und, dass sie wiedervereint zumindest vorläufig in Deutschland bleiben darf.
Das Drama begann am Morgen des 14. März 2013 mit der Abholung des tschetschenischen Familienvaters zusammen mit den drei Schulkindern. Sie wurden nach Polen überstellt, während die Frau und Mutter sich mit Schwangerschaftsbeschwerden im Krankenhaus befand und zwei gemeinsame Kleinkinder bei Freunden waren. Vermutlich aufgrund des Drucks in den Medien und des Eingreifens des Petitionsausschusses des Bayerischen Landtages wurde das Drama zwar in eine positive Richtung gelenkt. Doch die Behörden gaben erst im Juni nach, als die mehrmals nach hinten korrigierte Frist für die Überstellung der Frau und der Kleinkinder nach Polen endgültig abgelaufen war. Die schwangere Frau lag über zwei Monate auf der geschlossenen Station einer psychiatrischen Klinik. Laut einem seit Ende Januar vorliegenden Traumagutachten war sie ein Missbrauchsopfer und galt als latent suizidgefährdet. Ihre zwei Kleinkinder übernahm das Jugendamt. Viermal wurde versucht, die Frau aus dem Krankenhaus zu bekommen, um sie mit den Kleinkindern nach Polen zu überstellen. Einmal hätte dies sogar unter ärztlicher Begleitung direkt in eine geschlossene psychiatrische Einrichtung in Polen erfolgen sollen. Währenddessen befand sich der Vater mit den drei älteren Kindern in einer Arrestanstalt in Polen mit einer Stunde Freigang am Tag. Von dort aus hätte die gesamte Familie nach Tschetschenien "zurückgeschoben" werden sollen. Zudem wurde der zehnjährige Sohn schwer krank und kam in eine Spezialklinik in Warschau. Nach Anhörung der Mutter vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge darf die ganze Familie derzeit in Windsbach leben. Es läuft ein Asylverfahren.
Leider ist dies kein Einzelfall. Vor kurzem wurde der Familienvater einer anderen von mir beratenen tschetschenischen Familie von den Behörden aus einer Klinik in Ostdeutschland - er ist aufgrund einer rechtsseitigen Lähmung ein Pflegefall - allein nach Polen "rücküberstellt". Dadurch sollten seine Frau und zwei Kinder, die sich zwischenzeitlich im "Aufnahmelager" in Zirndorf befanden, "zur freiwilligen Ausreise" bewegt werden - was leider auch passierte. Dies ist wiederum ein Fall von bewusster Familientrennung. Obgleich unser Grundgesetz "Ehe und Familie" besonders schützt, scheint dies vornehmlich für deutsche Staatsbürger zu gelten.
Weitere erlebte Beispiele der Trennung
Ein christlicher Iraner lebt im Asylbewerberheim in Dietenhofen in Mittelfranken. Er ist seit über zehn Jahren von seiner Familie getrennt und hofft auf den Tag, an dem er seine Frau und zwischenzeitlich halbwüchsigen Söhne wieder trifft. Er selbst hat zwar über die Härtefallkommission des Bayerischen Innenministeriums Aufenthaltserlaubnis erhalten, doch der Weg zur Familienzusammenführung ist ein bürokratisch weiter. Denn neben finanzieller Absicherung und ausreichend Wohnraum für die Familie hier werden bei den Hinterbliebenen erst Deutschkenntnisse und Allgemeinwissen geprüft. Über alldem hängt für den knapp 15-jährigen Sohn das Damoklesschwert, mit Vollendung des 16. Lebensjahres einen eigenen Reisepass zu benötigen. Dieser wird ihm jedoch erst nach Ableistung des Wehrdienstes im Iran erteilt.
Ein irakischer Flüchtling arbeitet fleißig bei zwei Reinigungsfirmen. Er lebt hier seit elfeinhalb Jahren. Sein "Fall" steht bei der Härtefallkommission zur Entscheidung an. Mit dem guten Verdienst unterstützt er seit Jahren seine Familie im Irak, die bisher nicht nachkommen durfte. Im Februar 2012 verloren zwei seiner drei Kinder bei einem Bombenanschlag in Bagdad ihr Leben, sodass er nun nur noch eine zwölfjährige Tochter hat. Doch auch diese Tragödie hat bisher nicht dazu geführt, dass die Frau und das einzige Kind problemlos einreisen dürfen - obwohl er sie auch in Deutschland von seinem Lohn selbst ernähren könnte.
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