Leben ist Beziehung
Sie werden von der Öffentlichkeit wenig wahrgenommen, stehen in den kommunalen Haushalten unter der Rubrik ‚Freiwillige Leistungen’ und sind dennoch so wichtig: Tagesbegegnungsangebote für Menschen ohne Wohnung, mit geringem Einkommen, mit wenig oder keinen sozialen Kontakten.
Brücke zum Leben
Warum versucht die Caritas mit Unterstützung von Stadt und Landkreis sowie den Kirchengemeinden und vielen Spendern, solche Begegnungs- und Beratungsangebote den Menschen in Weißwasser und Senftenberg zu geben?
Weil diese Tagestreffs eine Hilfe, eine Brücke zum Leben sind. Was ist das Leben? Leben ist Beziehung. In der Beziehung zu anderen erleben wir uns, in der Beziehung zu anderen erfahren wir Glück und Geborgenheit, Schutz und Wertschätzung, Hoffnung und Zuversicht. Die Beziehung zu anderen hilft uns, zu reflektieren, erfahren wir uns, nehmen wir uns selbst wahr, können wir lieben, leider oder hassen, aber auch verzeihen. Nur in Beziehungen können wir leben.
Oder anders: Ohne Beziehung zu, ohne Begegnung mit anderen Menschen wissen wir Menschen wenig mit uns anzufangen, werden wir oft einsam, verlieren unser Selbstvertrauen, halten uns für wertlos und sind latent depressionsgefährdet.
Erste Anlaufstelle
Wer aus den Beziehungen rausfällt, verliert gleichsam das Leben. Wer mit ehemals Obdachlosen oder Langzeitarbeitslosen spricht, hört oft: "Ich hätte vorher nicht geglaubt, dass mir das passiert und ich so schnell einsam, melancholisch, antriebslos werde. Dieses Gefühl, nicht mehr dazu zu gehören, ausgegrenzt und abgestellt zu sein, tut so unendlich weh."
Deswegen sind diese Tagestreffs so wichtig, so unendlich wichtig, um aus der Einsamkeit, aus der Beziehungslosigkeit heraus und wieder in das Leben zu gelangen. Um nicht falsch verstanden zu werden: Es geht um das Leben und Leben heißt, nicht alles ist gut und schön.
Beziehungen kommen nicht von allein. Sie verlangen einem große Anstrengungen ab, sich auf den Weg zu einem Anderen hin zu begeben. Solche Orte wie die Tagestreffs können eine erste Anlaufstelle auf dem Weg in ein gelingendes Leben sein. Eine Anlaufstelle zur eigenen Erprobung, eine Möglichkeit der Unterstützung, um Hilfe zum Weitergehen zu erhalten. Eine Anlaufstelle ist keine Endstation. Sie ist kein Ort zum dauerhaften Verweilen. Es sind Punkte um Schwung zu holen, weiter zu gehen und weitere Punkte zu schaffen, gleichsam ein Netz aus Beziehungen als Garant für ein gelingendes, ein eigenständiges, auch materiell unabhängiges Leben.
Angebote entstehen nicht von selbst
Vielen ist das gelingende Miteinander ALLER Menschen ein Wert, ein gesellschaftlicher Wert. Für sie gehören Einrichtungen wie Tagestreffs selbstverständlich dazu. Sie kommen selbst in diese Treffs und gehen in Beziehung zu Menschen am Rande der Gesellschaft.
Aber können wir sicher sein, dass alle Menschen die gleichberechtigte Teilhabe als verfassungsrechtlich gesichertes Grundrecht wirklich wollen? Können wir sicher sein, dass echte Bereitschaft da ist, die sich daraus ergebenden Konsequenzen zu tragen?
Wir sollten deutlich artikulieren: Wir werden es gesellschaftlich nicht schaffen, allein in reiner Selbstorganisation uns umeinander zu kümmern. Daher brauchen und wollen wir solche niedrigschwelligen Angebote der Begegnung und Beziehung und Unterstützung. Solche Angebote entstehen nicht von selbst und arbeiten nicht ohne hauptamtliche Leitung, Anleitung und Koordination.
Die Schuldenbremse in den öffentlichen Haushalten ist wichtig. Sie wird helfen, den Diskurs darüber zu führen, was aus öffentlichen Mitteln wirklich finanziert werden soll. Die Entscheider müssen wissen, was den Menschen wichtig ist.
Also sagen wir es, sagen Sie es Ihnen!
Noch eine Anmerkung: Was wir gesellschaftlich wirklich wollen, ist nicht freiwillig, sondern Pflicht! Also können auch die Finanzierungen nicht freiwillig sein.
Übrigens: Auch ohne Tagestreffs haben Menschen in sozialen Schwierigkeiten einen individuellen Hilfeanspruch, der kostet. Aber wer weiß dann schon um diese Menschen?
Caritasverband der Diözese Görlitz e.V.
Telefon: 03 55 3 80 65 34
E-Mail: schmidt@caritas-dicvgoerlitz.de