Jan und Ralf leben wieder normal
Im Krankenhaus erfuhr er den Grund für die Kopfschmerzen: Ein Angiom im hinteren Kopfbereich, eine tumorartige, blutende Fehlbildung der Gefäße, drückte auf sein Gehirn. "Die Zeit danach habe ich wie durch einen Nebel erlebt. Vieles kenne ich selbst nur vom Hören", sagt Ralf Dahlhaus. Nach der Notoperation habe seine Familie weiter um ihn gefürchtet. "Ich war nicht mehr Derselbe", sagt er.
Ein neues Leben
Mit diesen Gedächtnisschwierigkeiten kämpft er bis heute. Von der Uniklinik ging es zunächst zur Reha - in eine geschlossene psychiatrische Abteilung. In seinen wachen Stunden ging er mit seinem Zwillingsbruder spazieren - und wenn der ihn nicht besuchen konnte, tigerte er im Zimmer auf und ab. "Sonst hätte ich nicht schlafen können. In meinem Beruf war ich immer viel auf den Beinen. Wenn man dann plötzlich eingesperrt ist, kommt man anders nicht zur Ruhe."
Ralf erzählt seine Geschichte, ohne zu stocken. Zwei Jahre sind seit der Operation vergangen. Seit Februar 2013 lebt er in Adenau im Gemeindepsychiatrischen Betreuungszentrum (GPBZ) der Barmherzigen Brüder Saffig. Hier, in einem Appartement des betreuten Wohnens, hat sich Ralf Dahlhaus ein neues Leben aufgebaut. Sein Zwillingsbruder ist noch immer eine große Stütze. Wenn René Ralf besucht, klimpern die beiden oft gemeinsam auf der Gitarre. Über dem Bett hängt ein Plakat von ihrem Idol: Jimi Hendrix.
Was eine Tasse bewirkt
Jan Brauer bezeichnet Musik ebenfalls als seine größte Leidenschaft. Er besucht regelmäßig die ambulante Tagesstätte im GPBZ. "Ich bin zuletzt zum Basteln hergekommen", erzählt Jan Brauer. Für eine Freundin hat er eine Tasse gestaltet. Er lächelt verschmitzt. "Es war das erste Mal, dass ich mit Porzellanfarbe hantiert habe. Ich bin froh, dass ich sie nicht nur auf meine Hände gekleistert habe."
Der Leiter des GPBZ, Stephan Lung, weist auf das Ziel der Tagesbetreuung hin: "Wir wollen denen, die nicht, noch nicht oder nicht mehr am ersten Arbeitsmarkt teilnehmen können, eine geregelte Tagesstruktur geben", sagt er.
Zitat
"Wenn er seinen Weg geht, ist das auch für uns ein Erfolg"
Stephan Lung
Nach dem Abitur habe er nicht gewusst, wie es weitergehen sollte. Also nahm Brauer eine Auszeit und begab sich in Behandlung. Seine Probleme benennt er sachlich: "Ich leide an depressiven Episoden und hatte eine diagnostizierte Anpassungsstörung." Das bedeutet: Angst, Menschen anzusprechen, etwas falsch zu machen, sich selbst ins Abseits zu stellen. Auf der Schule litt er unter Mobbing-Attacken. "Die Angst ist lange geblieben", sagt er heute. "Eine falsche Geste, ein falsches Wort, und du bist wieder da, wo du vorher warst." Inzwischen aber weiß Jan Brauer, was er will: studieren - auf Lehramt oder Psychologie. GPBZ-Leiter Stephan Lung freut sich mit dem Klienten: "Wenn er seinen Weg geht, ist das auch für uns ein Erfolg", sagt er. Andere bleiben vorerst.
Ralf Dahlhaus weiß noch nicht, wann er in der Lage sein wird, wieder "ganz normal" zu leben - selbstständig und ohne Hilfe. Aber er sei glücklich über jeden Tag: "Immerhin ist es eine Art Wunder, dass ich dem Tod von der Schippe gesprungen bin." Und er hofft, dass irgendwann wieder alles so funktioniert wie vorher. Wie vor jenem Tag, an dem er beinahe nicht mehr aufgewacht wäre.