"Eine tolle Möglichkeit"
Eigentlich könnte sie ja ihren gerade begonnenen Ruhestand genießen. Denn die 66-jährige Helena Betz hat ein bewegtes Leben hinter sich. In Bratislava hatte die gebürtige Slowakin Wirtschaftsmathematik studiert, dann viele Jahre als Organisationsprogrammiererin in einem Großhandelsmarkt in Düsseldorf gearbeitet und dabei ihren Mann kennengelernt. Sie zog zwei Kinder groß. Schließlich arbeitete sie knapp zwanzig Jahre in der Verwaltung des Caritas-Kinderdorfes Marienstein und an den Realschulen Maria-Ward und Rebdorf. "Doch es graute mir davor, dass ich von heute auf morgen nur auf die Möbel aufpassen soll", meint Helena Betz salopp. In der Zeitung las sie über einen Rentner, der im Caritas-Zentrum St. Vinzenz Ingolstadt Bundesfreiwilligendienst (BFD) leistet. "Eine tolle Möglichkeit", dachte sie. Kurze Zeit später war auch Helena Betz BFDlerin.
Seit Januar dieses Jahres engagiert sich die Rentnerin bei der Caritas-Kreisstelle Eichstätt gut zwanzig Wochenstunden für psychisch kranke und suchtkranke Menschen im Zuverdienstprojekt und in der Teestube des Sozialpsychiatrischen Dienstes. Für das "Gemütliche Beisammensein" in der Teestube holt sie Menschen mit psychischen Erkrankungen aus verschiedenen Dörfern des Landkreises ab und führt mit den Betroffenen lockere Gespräche. Dabei lernt sie Lebensschicksale kennen: Depressionen, Ängste, Einsamkeit … "Mittlerweile sind die Leute sehr offen gegenüber mir. Sie freuen sich, dass ich da bin, und darüber freue ich mich. Ich versuche, ihnen stets mit Respekt zu begegnen", so die BFDlerin.
"Sie treibt uns immer wieder an"
Im Zuverdienstprojekt - das als "Caritas- Servicedienste Eichstätt" bekannt ist - ist sie gleich mehrfach aktiv. Besonders gerne und häufig unterstützt die passionierte Schneiderin die Frauen im stark nachgefragten Bügelservice. Immer wieder einmal geht sie auch den Beschäftigten beim Sortieren und Verpacken von Lämpchen für die Firma Osram zur Hand. Vor allem anhand dieser Tätigkeit erfährt sie, wie wichtig eine strukturierte Arbeitstherapie für die Betroffenen ist. "Es wäre schön, wenn noch andere Firmen eine solche Kooperation anbieten", wünscht sie sich. Neben der Zusammenarbeit mit den insgesamt zwölf beschäftigten psychisch kranken und suchtkranken Menschen entlastet Helena Betz die hauptamtlichen Caritas-Mitarbeiterinnen in der Kundenbetreuung, besonders bei der Annahme und Abgabe der Bügelwäsche. Die Diplom-Sozialpädagogin Birgit Pfaller ist vor allem für zwei Impulse dankbar, die Helena Betz aus ihrer Sicht einbringt: "Normalität und Lebenserfahrung". Das empfinden auch die im Projekt Beschäftigten so: "Ich kann mich mit ihr gut über unsere Kinder unterhalten", meint Ingrid D. und ihre Kollegin Christine K.: "Sie treibt uns immer wieder an."
Die Rentnerin möchte ihren BFD nach den zunächst vorgesehenen zwölf Monaten um weitere sechs Monate verlängern. Sie bedauert, dass es gesetzlich derzeit nicht möglich ist, ihn danach noch länger zu leisten. Dass es für junge Menschen, die auf dem normalen Arbeitsmarkt unterkommen sollen, eine Grenze gibt, sieht sie ein. Doch für Leute im Ruhestand sollte es ihrer Meinung nach möglich sein, diesen ergänzenden Dienst noch länger zu leisten. Sie erlebt nicht nur die Tätigkeit als sinnvoll, sondern auch Bildungs- und Reflexionsseminare, die sie gerne in Anspruch nimmt: vom Caritas-Einführungstag über einen religiösen Besinnungstag und eine Wallfahrt "Auf den Spuren des heiligen Willibald" bis zu einem Fachtag, bei dem psychisch kranke Menschen über ihre Probleme berichteten. Und schließlich erfährt sie den BFD auch als eine Bestätigung ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit als Caritas-Sammlerin. "Durch ihn weiß ich jetzt noch besser, weshalb ich das mache."
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