Wir werden uns intensiver einmischen
Abstieg, Klassenerhalt oder sogar auf einem der Qualifikationsplätze für die Champions-Leage - wie lautet Ihre persönliche Bilanz für ein Jahr Caritas-Direktorin?
Ich würde schon sagen, wir können gut in der Bundesliga mitspielen. Ich bin mit der Saison ausgesprochen zufrieden.
Ich würde schon sagen, wir können gut in der Bundesliga mitspielen. Ich bin mit der Saison ausgesprochen zufrieden.
Was waren Ihre Highlights?
Es ist uns gelungen, die Caritas im Bistum wieder zentraler in den Mittelpunkt zu rücken. Wir konnten das schwierige Verhältnis überwinden. Es macht jetzt einfach Freude, in dem Bistum Caritas zu sein. Wir verstehen uns gemeinsam als Kirche. In der Vergangenheit war der Dialog nicht immer konstruktiv.
Wie haben Sie das zu spüren bekommen?
Als ich angefangen habe, war da zunächst bei einigen ein Fremdeln und vorsichtiges Herantasten zu bemerken. Kardinal Woelki hat sich von Anfang an hinter die Caritas gestellt. Ich glaube, wir haben es mit viel Transparenz geschafft, dass ein neues Vertrauen in die Caritas gewachsen ist. Die Bistumsleitung hat mich sehr dabei unterstützt, wir haben das zu unserer gemeinsamen Sache gemacht.
Gab es weitere Highlights?
Die Beendigung der Leiharbeit war für die Identifikation der Mitarbeitenden mit ihrer Caritas ganz wichtig. Außerdem war die Leiharbeit politisch und rechtlich nicht mehr haltbar. Über 150 Mitarbeitende waren von der Leiharbeit betroffen und haben im Oktober einen Caritasvertrag bekommen. Alle Caritasmitarbeitenden verstehen sich jetzt zusammen als eine Mannschaft. Und es war ein recht mutiger Schritt, weil wir noch nicht genau wussten, wie sich die Finanzen mittelfristig entwickeln. Das Bistum ist uns entgegengekommen und hat im ersten Jahr die Mehrkosten übernommen.
Wie werden die danach finanziert?
Das ist noch eine schwierige Frage. Im Oktober letzten Jahres war es möglich, dass der Diözesanvermögenverwaltungsrat gesagt hat: "Wir trauen euch einen Umbauprozess zu!" und den Zuschuss für 2012 und 2013 erhöht hat. Das war entscheidend, sonst hätte ich bald viele Stellen abbauen müssen oder wir wären mittelfristig in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. Ich will jedoch die Caritas mit dem Vorstand und der Bistumsleitung nach inhaltlichen Zielen umbauen. Und das braucht Zeit und einen Schwerpunktsetzungsprozess, an dem wir gerade arbeiten und wo auch viele Perspektiven aus dem Verband und dem Bistum eingebunden werden sollen.
Das heißt, Sie haben jetzt aber die Kurve bekommen?
Na ja, es ist noch nicht vom Tisch. De facto sind wir weiterhin auf ausreichend Kirchensteuermittel angewiesen, wenn wir als Caritas der Kirche für Menschen in Not da sein sollen. Die Tarifentwicklung wird uns in jedem Fall noch mehr Kosten bringen, die wir nicht über die Dienste und Einrichtungen der ambulanten sozialen Arbeit erwirtschaften können. Denn in alle Aufgaben müssen wir bis zu 30 Prozent Eigenmittel stecken, teilweise sogar deutlich mehr. Das Entscheidende sind die Aufgabenklärung, die Haushaltsverhandlungen und eine angemessene Tarifentwicklung. Wir kämpfen außerdem für verbesserte Refinanzierungsbedingungen durch die Politik.
Der Prozess der pastoralen Neugestaltung hat begonnen. Welche Rolle übernimmt die Caritas dabei?
Wir sind einer der drei Grunddienste von Kirche - und nicht einer unter vielen. Caritas ist so wesentlich wie Liturgie und Verkündigung und spielt deshalb eine zentrale Rolle in diesem Prozess. Ich bin Mitglied im Steuerungskreis des Prozesses. Gleichzeitig versuchen wir, unseren ganzen Verband und seine Mitglieder für dieses Thema zu sensibilisieren. Wir werden im Juni einen Studientag zu diesem Thema veranstalten. Ich möchte, dass in jeder Caritas- Einrichtung ein Ansprechpartner für die Gemeinden ist, dass in jedem pastoralen Raum Caritas-Mitarbeitende sich in der Entwicklung des pastoralen Raumes engagieren. Dafür werden wir nach Möglichkeit auch Leute mit Stellenanteilen frei stellen.
Ihnen ist es wichtig, die Stimme der Caritas in der Politik zu erheben. In wieweit ist Ihnen das bisher gelungen?
Ich denke, einer der Höhepunkte war die Pflegedemonstration im letzten Jahr. Damit haben wir ein sichtbares Zeichen gesetzt, dass es nicht geht, dass die AOK die Bedingungen für ambulante Pflege noch mehr verschlechtert. Ich habe mich auch in der Politik und in den Medien zu verschiedenen Themen geäußert. Außerdem war es mir ein Anliegen, das Bild von uns als Caritas zu verändern. Ich habe immer wieder in Gesprächen mit Senatoren und Fraktionen deutlich gemacht, dass es unser Auftrag vom Evangelium her ist, bei den Menschen zu sein, und nicht nur Einrichtungen zu erhalten. Wir sollten uns immer wieder auch als Caritas-Wandertruppe verstehen und sozialpolitisch Anwalt für Benachteiligte sein. Wenn sich die Nöte der Menschen ändern, dann müssen wir auch unsere Arbeit ändern, so einfach ist das.
Wie war die Reaktion auf das neue Selbstbewusstsein?
Manche Kollegen von anderen Wohlfahrtsverbänden waren etwas irritiert, weil sie oft schwerpunktmäßig für den Erhalt ihrer Einrichtungen kämpfen. Aus meiner Sicht kann es jedoch durchaus vorkommen, dass sich Bedarfe ändern und wir Einrichtungen aufgeben, weil sie so nicht mehr notwendig sind oder weil andere es genauso gut machen können. Das macht uns auch freier, wir sind dann nicht mehr an die Erhaltungslogik gebunden und können visionärer sein.
Es gab also sogar unter den Kollegen der Wohlfahrtsverbände Gegenwind?
Ja. Was ich kritisch bewerte ist, dass die Liga der freien Wohlfahrtsverbände in Berlin kaum politisch auftritt, sondern immer nur um ihre Rechte und ihre Position gegenüber dem Senat kämpft. Ich finde, wir Wohlfahrtsverbände müssen Seismographen der Gesellschaft sein und Lösungen für soziale Probleme entwickeln. Gerade hier im Land Berlin ist man durch den Treberhilfe-Skandal immer noch in der Defensive. Aber das ist nicht zukunftsweisend! Wo ist die Wohlfahrtspflege mit ihren sozialen Themen? Ich lese selten etwas davon! Gut, dann wird man in Zukunft eben mehr Caritas wahrnehmen. Wir haben gerade unsere sozialpolitischen Positionen veröffentlicht und werden uns damit künftig intensiver in den drei Bundesländern und Kommunen in unserem Bistum einmischen.
Papst Franziskus stellt die Armen in den Mittelpunkt der Kirche. Sehen Sie die Lobby der Bedürftigen dadurch nachhaltig gestärkt?
Ich habe mich sehr über die Wahl dieses Papstes gefreut. Ich kannte ihn vorher nicht, aber das, was ich bisher von ihm erlebt habe, hätte ihn wahrscheinlich auf Platz eins der internen Caritas-Kandidatenliste befördert. Ich finde, er rückt vieles gerade. Da er aus Lateinamerika kommt, wird deutlich: Europa ist nicht das Zentrum der Welt. Ich habe viele Caritasprojekte weltweit besucht und dabei erlebt, dass wir vieles zu sehr aus der europäischen Perspektive denken und die Einstellung haben, wir sind die Geber und die anderen nehmen. Das stimmt so nicht: Wir können viel von den anderen lernen. Papst Franziskus wird sicherlich Europa und die europäischen Kirchen mitunter gegen den Strich bürsten. Das finde ich sehr positiv. Außerdem glaube ich, dass er mit seiner Bescheidenheit eine Kirche prägen wird, die sich immer wieder in Frage stellt. Und das ist wichtig für die Zukunft.
Wie oft haben Sie im vergangenen Jahr auf Ihrem Pferd gesessen?
Ich habe mir sogar ein zweites zugelegt, weil mein erstes leider chronisch lahmt und in Rente gegangen ist. Aber ich reite schon regelmäßig. Das brauche ich als Ausgleich. Genauso wie mir meine Spiritualität wichtig ist. Ohne gute Bodenhaftung mit dem lieben Gott würde das nicht so gut funktionieren.