Recht auf Girokonto für Jedermann?!
RECHT AUF GIROKONTO FÜR JEDERMANN?!
Gut geschulte Fachkräfte in den Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen der Caritas zeigen qualifiziert und kostenfrei Mittel und Wege auf, wie und unter welchen Umständen man trotz schlechter Ausgangslagen ein Konto bekommt.
Mitte der neunziger Jahre wurde in der öffentlichen Diskussion auf die Notsituation von Menschen hingewiesen, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten und deshalb nur unter erschwerten Bedingungen Zugang zum bargeldlosen Zahlungsverkehr erhalten. Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) als die Interessenvertretung der Banken hat im Jahr 1995 eine Empfehlung zum "Girokonto für jedermann" erarbeitet. Mit der Empfehlung der DK zum "Girokonto für jedermann" erklären sich die Banken bereit, jeder Person grundsätzlich - sofern nicht im Einzelfall schwerwiegende Gründe dagegen sprechen - auf Wunsch ein Girokonto zur Verfügung zu stellen. Dieses Guthabenkonto soll dazu dienen, Gutschriften, Barauszahlungen sowie die Teilnahme am Überweisungsverkehr zu ermöglichen. Eintragungen bei der SCHUFA, die auf schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Kunden hindeuten, sollen allein kein Grund sein, die Führung eines solchen Kontos zu verweigern.
FREMDKONTEN UND "BÜRGERKONTO"
Es wurden in den letzten Jahren in Bezug auf das "Girokonto für jedermann" leider keine wesentlichen Fortschritte erzielt. Noch immer gibt es Menschen, die kein Girokonto haben und ihre Bezüge auf "Fremdkonten" von Freunden oder Verwandten überweisen lassen.
Die Sparkassen sind derzeitig die einzigen, die eine Selbstverpflichtung eingegangen sind, Girokonten für Bankkunden mit Einträgen bei der SCHUFA zu eröffnen. Bei den privaten Banken oder den genossenschaftlichen Banken bleiben diese Kunden in der Regel vom bargeldlosen Zahlungsverkehr ausgeschlossen.
Zum Oktober 2012 führten die Sparkassen das "Bürgerkonto" ein. Es stellt sicher, dass auch Bürger in finanziellen Schwierigkeiten über eine Bankverbindung verfügen. Das "Girokonto für jedermann" ermöglicht Überweisungen oder Zahlungen mit der EC-Karte. Es darf aber nicht "ins Minus rutschen", Überziehungen sind nicht möglich. Die Gebühren sollen nicht höher sein als bei jedem anderen Girokonto, versprechen die Sparkassen. "Mit dem ‚Bürgerkonto‘ gehen wir über die freiwillige Selbstverpflichtung der Bankenbranche hinaus", sagt Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon. Er sei überzeugt, "dass dies ein wichtiger Beitrag zum Gemeinwohl ist". Die 423 Institute verpflichten sich außerdem, Schlichtersprüche zum "Girokonto für jedermann" anzuerkennen.
Im Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der Empfehlungen des Zentralen Kreditausschusses zum "Girokonto für jedermann" wird von dringendem Handlungsbedarf gesprochen. Die Bundesregierung befürwortet die Initiative zum "Girokonto für jedermann", sieht aber angesichts der sich abzeichnenden europäischen Regelung keinen Handlungsbedarf.
DAS P-KONTO
Eine positive Veränderung ist das 2010 eingeführte Pfändungsschutzkonto (P- Konto). Jeder Kontoinhaber hat gegenüber seiner Bank den Anspruch, dass sein Girokonto als Pfändungsschutzkonto geführt wird. Das P-Konto dient wie ein Girokonto dem normalen Zahlungsverkehr. Es bietet jedoch bei Kontopfändungen einen unbürokratischen Schutz für die Kontoguthaben.
Der Pfändungsschutz des P-Kontos gilt für sämtliche Arten von Einkommen bis zu einem Kontoguthaben von 1.028,89 EUR je Kalendermonat. Es ist egal, ob sie aus Erwerbstätigkeit, selbstständiger Tätigkeit, Sozialleistungen oder anderen Quellen stammen. Weitere Beträge, wie z.B. Kindergeld oder Freibeträge für unterhaltsberechtigte Personen bzw. Personen, mit denen der Kontoinhaber eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II oder SGB XII bildet, können auf Nachweis freigegeben werden. Für die erste zusätzliche Person kann ein Betrag von 387,22 EUR bescheinigt werden, für jede weitere Person jeweils 215,73 EUR. Ein Ehepaar mit zwei Kindern erlangt so durch eine Bescheinigung einen Freibetrag von insgesamt 1.847,57 EUR. Darüber hinaus können auf das Konto eingehende bestimmte weitere Sozialleistungen oder bestimmte Mehrbedarfszahlungen, um körperliche oder gesundheitliche Beeinträchtigungen auszugleichen, z. B. Pflegegeld, freigestellt werden.
MÖGLICHKEIT KLEINER ANSPARUNGEN
Kontenpfändungen sind dadurch nur noch bedingt möglich, unpfändbare Bezüge bleiben unberührt, soweit sie im Rahmen der Pfändungsfreigrenzen bleiben. Auch führen Pfändungen nicht mehr zur Sperrung des Girokontos, der Kontoinhaber hat weiterhin die Verfügung, um Überweisungen zu tätigen und Daueraufträge einzurichten. Durch den P-Kontoschutz ist es auch möglich, Restguthaben aus dem nicht ausgeschöpften Freibetrag eines Monats einmalig in den Folgemonat zu übertragen. Damit haben von Kontopfändungen Betroffene erstmals die Möglichkeit, kleine Ansparungen vorzunehmen.
Der Nachweis erfolgt durch eine P-Kontobescheinigung; diese kann z. B. durch den Arbeitgeber, Sozialleistungsträger, durch Familienkassen, Rechtsanwälte oder eine anerkannte Schuldnerberatungsstelle, wie die des Caritasverbandes für das Dekanat Halberstadt, ausgestellt werden. Diese Bescheinigungen zum P-Konto sind ein neuer Teil der Arbeit der Schuldnerberatungsstellen. Im Dekanat Halberstadt werden sie zeitnah für die Ratsuchenden ausgestellt. Um die Bescheinigungen sachgerecht auszustellen, bedarf es eines nicht unerheblichen Zeitaufwandes.
Für jeden, dessen Konto gepfändet ist, ist ein Pfändungsschutzkonto die einzige Möglichkeit, das Kontoguthaben im Falle einer Pfändung zu schützen. Den bisherigen Pfändungsschutz für Sozialleistungen beziehungsweise die Möglichkeit der Freigabe des Kontoguthabens durch ein Gericht gibt es seit dem 01.01.2012 nicht mehr.
RÜCKBLICK UND AUSBLICK
Es macht den Eindruck, als ob Banken die Einführung des Pfändungsschutzkontos zur Einführung erhöhter Gebühren und einer Verschlechterung des Service nutzten. Und dies obwohl es ein Schreiben der Bundesregierung gibt, welches die Banken auffordert, keine erhöhten Gebühren für P-Konten zu erheben.
Aus Sicht der Schuldnerberatung stellt die Einführung des Pfändungsschutzkontos eine Erleichterung für die von Kontopfändungen betroffenen Personen dar. Es bleibt jedoch zu wünschen, dass der Gesetzgeber einige Aussagen zum Pfändungsschutzkonto konkretisiert und den Banken in Bezug auf die erhöhten Kontogebühren die Grenzen aufzeigt.
Brigitte Wendlik, Ludwig Schwindack, Martin Heinemann
KONTAKT
Caritasverband für das Dekanat Halberstadt
Gröperstraße 33, 38820 Halberstadt
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