Sechstes Hückelhovener Suchtforum
Heinsberg. "Ich möchte mich nun mit Ihnen auf den Weg machen, um das Projekt Trampolin, das sich an Kinder aus suchtkranken Familien wendet, ab dem nächsten Jahr im Kreis anzubieten." Diese Idee formulierte Marlies Trapp, Leiterin der Beratungsstelle für Suchtfragen Hückelhoven, am Ende des sechsten Hückelhovener Suchtforums im evangelischen Gemeindezentrum Hückelhoven zum Thema "Netze knüpfen für Kinder aus suchtbelasteten Familien". Gleichzeitig erklärte sie, dass die Veranstaltung, zu der der Beratungsstelle in Trägerschaft des Caritasverbandes für die Region Heinsberg in Kooperation mit dem Diakonischen Werk des Kirchenkreises Jülich eingeladen hatte, als Auftaktveranstaltung zu dem geplanten "überschaubaren modularen Projekt" zu verstehen sei. Im nächsten Schritt müssten Kooperationsvereinbarungen untereinander geschlossen werden, erläuterte Trapp.
Mit über 100 Teilnehmern, darunter Mitarbeiter und Leitungskräfte aus den Feldern der Jugend- und Suchthilfe, der Psychiatrie, dem Betreuten Wohnen, Psychotherapeuten und Vertreter aus der Politik, hatte sie die richtigen Adressaten vor sich, die allesamt interessiert den Vorträgen der Referenten, die mit verschiedenen Aspekte das Thema beleuchteten, zuhörten. Bereits im Grußwort wurde von Bürgermeister Bernd Jansen auf die Problematik verwiesen, dass Kinder und Jugendliche von suchtkranken Eltern besonders gefährdet seien, selber süchtig zu werden. Marlies Trapp verdeutlichte, das ca. 18 Prozent der Kinder in Deutschland und damit 2,6 Millionen zeitweise bei einem Elternteil leben würden, die von seiner Suchtstörung belastet seien. Im Kreis Heinsberg leben lt. Auskunft des stat. Landesamtes 45327 Kinder und Jugendliche, davon rund 5000 in einer Familie, in der eine Suchtstörung bei den Eltern zumindest zeitweise eine Rolle spiele, so Trapp. 6055 Kinder (von den 45327) sind unter drei Jahre alt, hiervon leben rund 900 Kinder in Familien, die durch Sucht belastet sind. Diese Kinder und Jugendlichen hätten ein sechsfach erhöhtes Risiko selbst an einer Suchtstörung zu erkranken. Sie machen als Kinder oft die schädigenden Erfahrungen von Unberechenbarkeit im Erziehungsverhalten bis hin zur Aggressivität der Eltern, Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch seien ebenso möglich.
Weitere Auswirkungen könnten psychische Störungen sein. Tatsächlich würden zirka 30 bis 40 Prozent der Kinder alkoholabhängiger Eltern selbst eine substanzbezogene Abhängigkeitserkrankung entwickeln, erklärte Trapp. Aber 60-70 Prozent werden eben nicht krank, weil sie über besondere Kräfte verfügen, die Resilienzfaktoren genannt werden. Im Folgenden beschrieb sie Resillienzfaktoren wie Einsicht, Wissen, Beziehungsfähigkeit, Autonomie, Humor und Kreativität als Schutz vor einer Suchtstörung.
Anschließend ergriff Dr. Jack Kreutz, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, das Wort und ging in seinem Vortrag "Schwache Eltern, starke Kinder?" auf die neuronale und emotionale Entwicklung von Kindern aus suchtbelasteten Familien ein, wobei er Bindungsstörungen als wesentlich dafür ansah, dass diese Kinder oft eine eigene Sucht entwickeln. Diplom Sozialpädagogin Ingrid Arenz-Greiving zeichnete dagegen in ihrem Vortrag "Elternschaft und Sucht - Umgang mit suchtkranken Eltern" ein Bild der Eltern, die Angst vor Stigmatisierung haben und aus Angst die elterliche Sorge zu verlieren, nicht nach Hilfen zur Erziehung anfragen. Sie thematisierte die oft fehlende Abstimmung im Hilfesystem ebenso wie die Wahrnehmung der Kinder als Angehörige, die frühzeitig in die Thematik der Sucht ihrer Eltern einzubeziehen sind. Aus ihren Erfahrungen wie Kooperationen gelingen können, berichtete schließlich die Diplom-Sozialpädagogin Martina Tödte. Sie nannte Stichworte wie Verständnis, Verständigung, gegenseitige Akzeptanz, Respekt und Vereinbarung von eindeutigen klaren Zielen.
Abschließend wurden bereits bestehende Hilfsansätze für Kinder und deren suchtbelastete Eltern vorgestellt wie die soziale Gruppenarbeit für auffällige Kinder der Caritas-Jugendhilfe und das Projekt "Nepomuk" im Kreis Heinsberg, das Projekt Feuervogel in Aachen und "Fitkids" in Wesel. Informationen lieferten Helga Troiber-Geller, Leitern der Caritas-Jugendhilfe, Annette Verbocket vom Projekt "Nepomuk" Schloss Dilborn, Gudrun Jelich, Geschäftsführerin der Suchthilfe Aachen, sowie Jörg Kons, Geschäftsführender Leiter von Fitkids.