Von den Maschinen zu den Menschen
Ulrike Kostka, die Direktorin der Berliner Caritas, ist eine Frau, die weiß was sie will. Mit ihrer sanften Bestimmtheit regelt sie die Dinge gern auch mal auf dem kurzen Dienstweg. Wie etwa bei den Corona bedingten Hygiene-Konzepten für Alten- und Pflegeheime. Strenge Zugangskontrollen und Schnelltests sind vorgeschrieben, aber es fehlt an Personal dafür. Da hatte Ulrike Kostka die Idee, Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten dafür anzufragen. Eigentlich hätte das über die Berliner Gesundheitsverwaltung laufen müssen, doch diese zögerte. Also rief Ulrike Kostka am 18. Dezember 2020 Verteidigungsministerin Annette Kramp-Karrenbauer auf dem Handy an. Die hatte sofort ein offenes Ohr und besprach mit der Caritas-Direktorin die Einsatzmöglichkeiten. Noch am selben Tag schrieb Ulrike Kostka ein Konzept für die Unterstützungsleistungen, wandte sich an die Berliner Gesundheitsverwaltung und sagte zu, die Koordination für den Einsatz in den Caritas-Einrichtungen zu übernehmen. "Von da an lief es wie geschnitten Brot", berichtet sie.
Der Einsatz startet an Weihnachten
Schon eine Woche später, am 25. Dezember, hatte der Bundeswehrsoldat Christian Nandke, 32, seinen ersten Arbeitstag im Caritas-Seniorenzentrum St. Konrad in Berlin-Oberschöneweide. Sein Kollege Michael Labonte, 29, kam Anfang dieses Jahres hinzu.
Bei der Bundeswehr reparieren und warten die beiden LKWs. Nun arbeiten sie mit Menschen und finden das gut. Im Seniorenzentrum ist Christian Nandke Teil des Einsatzprogramms "Helfende Hände." Er bringt den Bewohnerinnen und Bewohnern das Essen ins Appartement, unterstützt aber auch mal den Hausmeister und schippt etwa Schnee, wenn es nötig ist. "Mit alten Menschen hatte ich noch nie zu tun", sagt er. "Das ist spannend für mich und auch für die alten Leute ist es schön, mal mit der Bundeswehr in einer anderen Funktion in Berührung zu kommen." Es wird geplaudert, geplänkelt und gescherzt. Etwa mit Ulf Neumann, 86, und seit sechs Jahren im Seniorenzentrum St. Konrad: "Ich habe den beiden Berufssoldaten gesagt: Wenn Sie noch lange hier sind, verlernen Sie im Schlamm herumzukriechen. Da haben die nur gelacht und geantwortet, nee, das ist wie Radfahren, das verlernt man nicht."
Eine immense Entlastung für das Personal
Edith Baumgart ist ebenfalls 86 Jahre alt und seit acht Jahren in St. Konrad. Ihre Angehörigen sind beruflich stark eingespannt und können sie nicht oft besuchen. Umso mehr genießt sie es, dass hier zwei junge Männer ein und aus gehen, die ihre Enkel sein könnten. "Früher mochte ich keine Berufssoldaten", sagt sie. "Ich dachte, das sind Menschen, die dafür bezahlt werden, andere zu erschießen. Jetzt weiß ich durch die beiden, wie vielfältig die Aufgaben der Bundeswehr sind."
Dass Michael Labonte eines Tages Corona-Tests machen würde, hätte er sich nicht träumen lassen. Der KFZ-Mechatroniker aus Rheinland-Pfalz hat in St. Konrad die Aufgabe, Besucher, Lieferanten und Handwerker auf Covid19 zu testen und die Test-Termine zu koordinieren. Er wurde dafür vom Fachpersonal des Seniorenzentrums geschult. "Mit Menschen zu arbeiten macht mir Spaß", sagt er. "Und ich freue mich, dass ich indirekt etwas für die Bewohner und Bewohnerinnen tun kann. So haben sie mehr von ihren Angehörigen." Die sparen nämlich Zeit, weil sei nicht zu einer externen Teststation fahren müssen.
"Wir testen etwa 20 Leute pro Tag", berichtet die Zentrumsleiterin Diana Seidel. "Mit unserem eigenen Personal könnten wir das überhaupt nicht stemmen."
Seit Ausbruch der Corona-Pandemie arbeiten die Pflegekräfte ohnehin an ihrem Leistungslimit. Da muss man sich aufs gesamte Team verlassen können. Michael Labonte und Christian Nandke kommt das bekannt vor: Kameradschaft nennt man das bei der Bundeswehr.
"Berufssoldaten im Haus zu haben ist für die alten Menschen spannend", sagt Diana Seidel. "Viele reden gern über die Zeit, als sie beim Militär waren." Beide Soldaten könnten gut zuhören. Der Testsoldat Michael Labonte müsse manchmal Seelsorge am Telefon leisten, wenn Angehörige anriefen. "Für sie ist schwierig, wenn ein Familienmitglied schwer krank ist und nicht besucht werden kann."
Mit insgesamt 400 Soldatinnen und Soldaten unterstützte die Bundeswehr fast 200 Berliner Altenpflegeeinrichtungen gemeinnütziger, staatlicher und privater Träger.
Eine unschätzbare Hilfe sei ihre Arbeit, betont Caritas-Direktorin Ulrike Kostka. Der Bundeswehreinsatz in Pflegeeinrichtungen ging im März zu Ende. Die Bewohnerinnen und Bewohner von St. Konrad bedauern das. Edith Baumgart, die früher keine Berufssoldaten mochte, hat Christian Nandke ins Herz geschlossen: "Er ist so ein Netter. Leider kann ich ihn nicht mehr adoptieren."