Starthilfe ins Leben
Aylin Kozempel ist eine patente junge Frau. Die 27-Jährige ist selbstbewusst und souverän - wie jemand, der das Leben wuppt. Doch vor vier Jahren war sie verunsichert. Ihr erstes Kind war
unterwegs.
"Ich hatte nicht erwartet, dass so viel Bürokratie auf mich zukommen würde", erzählt sie, "und ich hatte keinen richtigen Durchblick, welchen Antrag ich wohin stellen und bis wann erledigen musste. Außerdem studiere ich noch und habe wenig Zeit."
Sie entdeckte die Schwangerschaftsberatungsstelle der Caritas im Internet und machte sofort einen Termin bei der Leiterin Bianca Blaschczok. Sie ist 43 Jahre alt und hat selbst zwei Kinder. Mit ihrem freundlichen Gesicht und ihrem offenen Wesen ist sie einer der Menschen, zu denen man sofort Vertrauen fasst und die man ohne Bedenken bitten würde, kurz aufs Baby aufzupassen, wenn man auf einer Zugfahrt die Toilette aufsuchen müsste.
Schwanger - und tausend Fragen
Seit 2016 leitet sie die Schwangerschaftsberatungsstelle der Caritas in Strausberg. Dort hat sie oft mit Frauen aus einkommensschwachen Familien zu tun, aber auch mit vielen Alleinstehenden. "Vielen ist einfach nur klar, das es schwierig werden wird mit dem Kind", sagt sie. "Das Geld ist knapp, sie stehen ohne Partner da und wissen nicht, wie es weitergeht." Elterngeld, Elternzeit, Rechte dem Arbeitgeber gegenüber sowie Vaterschaftsanerkennung - das sind Themen, die die Frauen bewegen. Und viele sind damit überfordert. Oft gehe es aber auch um lebenspraktische Dinge.
"Mir schwirrten tausend Fragen durch den Kopf", sagt Aylin Kozempel. "Wie ziehe ich mein Kind richtig an? Wie füttere ich es? Wie bringe ich es zur Ruhe? Wie mache ich mein Kind glücklich?" Ihr Sohn ist heute vier Jahre alt und macht einen zufriedenen Eindruck.
Letztes Jahr bekam sie eine Tochter und ist seitdem wieder in regem Austausch mit der Schwangerschaftsberatungsstelle. Deren Angebot gilt bis zu drei Jahre nach der Geburt des Kindes. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie kann man sich auch online beraten lassen.
"Beim zweiten Kind hatte ich zwar dazu gelernt und wusste, was auf mich zukommt", meint sie. "Aber meine Tochter ist genau das Gegenteil meines Sohnes - und da kamen wieder andere Fragen auf. Sie ist viel fordernder, sehr neugierig und schon mit neun Monaten in der Eingewöhnung in der Kita, was ihr sehr gut bekommt. Sie ist sehr lustig, kann aber auch ein ganz schönes Zicklein sein."
Aylin Kozempel bekam von vielen anderen Müttern Tipps zur Kindererziehung, die sich oft gegenseitig widersprachen. "Ich war verunsichert und dachte, dass ich vieles falsch mache", sagt sie, "dann habe ich mit Bianca Blaschczok gesprochen. Sie beruhigte mich und machte mir klar, dass ich mein Kind am besten kenne und wisse, was für sie gut ist."
Hilfe im Behördendschungel
Bis zu 270 Frauen kommen im Jahr zu Bianca Blaschczok. Seit dem 1.1.2001 gibt es keinen Be-ratungsschein mehr bei Konfliktberatungen. Dennoch blieben die Beratungszahlen auf hohem Ni-veau, denn die Fragen, die die Frauen bewegen, haben sich kaum verändert.
"Ich habe mir Sachberichte aus den 1990er Jahre angeguckt", erzählt Bianca Blaschczok, "und festgestellt, dass die Anliegen und Nöte der Frauen ähnlich geblieben sind." Von Anfang an ging es um Hilfe für sozial Schwache, um Kinderbetreuung und um die Probleme von Alleinerziehenden. Der Anteil an Frauen mit Migrationshintergrund ist gestiegen -von 4% am Anfang auf 30% heute. "Die staatlichen Angebote an Unterstützung sind vielfältiger geworden," betont Bianca Blaschczok, "aber das System ist sehr komplex und für viele Frauen schwer zu durchschauen." Viele wissen zum Beispiel nicht, dass Zuschüsse für die Erstausstattung zur Geburt nur über die Schwangerschaftsberatungsstellen beantragt werden können oder dass ihnen Unterstützung von der Stiftung "Hilfe für Familien in Not" zusteht.
Oft vermittelt Bianca Blaschczok die Frauen auch an andere Dienste der Caritas weiter. In dem Beratungszentrum sind auch die Flüchtlings- und Migrationsberatung, die Schuldnerberatung und die allgemeine Sozialberatung untergebracht. Für viele Frauen, die bis dahin von Amt zu Amt ver-wiesen wurden, ist das Caritas-Beratungsangebot eine große Erleichterung.
Aylin Kozempel fühlt sich hier gut betreut. Sie hat die Schwangerschaftsberatungsstelle auch ihren Freundinnen empfohlen und betont: "Hier wird man nicht verurteilt und kann sich den Stress von der Seele reden. Das war für mich hilfreicher als Tipps von 100 anderen Müttern."