Abgestempelt – Bei uns nicht!
"Kann ich auch kommen, wenn ich gar nicht sicher bin, ob ich süchtig bin?"
"Könnt ihr mir überhaupt helfen? Reden bringt doch gar nichts."
"Muss ich alles preisgeben, wenn ich zu Euch komme?"
Mit diesen Fragen werden Victoria Barczyk, Denise Asshoff und Thomas Haustein beim ersten Kontakt mit ihren Klient*innen sehr oft konfrontiert. Der Weg dahin, sich Hilfe zu suchen, dauert für manche Menschen Jahrzehnte. Zu schwer ist es, sich die eigene Sucht einzugestehen. Denn viele interpretieren diese als große persönliche Schwäche, dabei handelt es sich um eine anerkannte Krankheit. Vorurteile gegenüber der Beratung kommen hinzu. Etwa die Sorge, dass diese gar nichts bringt. Grund genug für den Caritasverband im Erzbistum Berlin, die riesigen Hemmschwellen anzugehen. Im Herbst 2019 entstanden die ersten YouTube-Videos, in denen häufige Fragen zum Thema Sucht kurz und knapp beantwortet wurden. Und zwar von den Expertinnen und Experten persönlich - und manchmal auch mit einem Augenzwinkern. Denise Asshoff zum Beispiel sagt zu der allgemeinen Annahme vieler junger Leute ‚Berlin und Partydrogen gehören doch zusammen: "Das muss nicht zwangsläufig so sein. Bestimmt die Party dein Leben oder ist es nicht eher umgekehrt, dass du bestimmst, wann du Party machen willst?" Auch Eltern werden in den Clips direkt angesprochen. "Wenn Sie sich Sorgen machen, dass Ihr Kind Drogen nimmt und Ihnen Veränderungen auffallen, nehmen Sie Ihre Sorgen ernst", rät Thomas Haustein.
Vom "abhängigen" Hauptdarsteller zum Suchtberater Thomas Haustein spielte 1980 im Kinofilm "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" mit. In einer Hauptrolle verkörperte er Detlef, den Freund von Christiane F. "Das Buch, aber natürlich auch die Dreharbeiten waren intensiv und prägend", sagt er heute über diese Erfahrung als Teenager. Seine Berufung hat er später darin gefunden, anderen mit Suchtproblemen weiterzuhelfen. Mittlerweile ist Haustein ein sattelfester, professioneller Suchtberater, seit 17 Jahren arbeitet er als solcher für die Caritas.
Als im Februar 2021 der Filmstoff der "Kinder vom Bahnhof Zoo" in einer Serie von Amazon Prime Video neu erzählt wird, erhält er Presseanfragen und wird vom bekannten Rapper, Influencer und ehemaligen Drogenabhängigen "Sick" zum Gespräch auf dessen YouTube-Kanal eingeladen. Wieder bietet sich die Gelegenheit, das Thema Sucht aus der Tabu-Ecke zu holen. So entstehen im Februar 2021 auch mehrere neue Caritas-Videos, die mit Vorurteilen aufräumen.
"Die Schicksale von Christiane F. und ihren Freunden werden in der aktuellen Serie treffend dargestellt. Sie berühren nach wie vor. Auch wenn sich Suchtmittel und Konsumverhalten verändern, die Probleme bleiben aktuell. Wir dürfen die Betroffenen nicht aufgeben oder verurteilen", erklärt Thomas Haustein.