Kochen für die Bahnhofsmission
"Die Bahnhofsmission ist da", ertönt es aus der Küche von IN VIA in Paderborn. Gut, dass das Essen fertig ist: 100 Portionen Gulasch mit Spätzle, Kartoffeln und Möhren, als Eintopf gekocht. Zum Nachtisch gibt es Schokopudding. Dankbar nehmen die drei Männer die Essensbehälter entgegen. Zu Fuß transportieren sie das Essen die wenigen hundert Meter zur Bahnhofsmission, einem kleinen Gebäude abseits des Paderborner Bahnhofs, direkt an Gleis 1 gelegen. Dort stehen schon einige Männer an, warten geduldig auf das Essen, unter ihnen Christian W. Er komme ein- oder zweimal die Woche zur Bahnhofsmission, berichtet er. Der 28-Jährige ist schon seit fünf Jahren obdachlos. Er habe psychische Probleme, sagt er. Das Angebot der Bahnhofsmission ist für ihn ein Segen, eine wichtige Anlaufstelle. "Das Essen ist sehr lecker", sagt er. "Und die Portionen sind auch ausreichend." Allerdings vermisst er die Treffen in der Bahnhofsmission. Wegen der Pandemie können die nicht mehr stattfinden.
"Entstanden ist die Idee zu der Verköstigung schon zu Beginn der Corona-Krise", berichtet Margret Schwede, Vorstand von IN VIA Paderborn e. V., das gemeinsam mit der Diakonie die Bahnhofsmission trägt. "Ganz konkret wurde unser Vorhaben, als viele soziale Einrichtungen geschlossen hatten, auch die Paderborner Tafel." Über die Stiftung Deutsche Bahn, die Aktion Mensch und einen privaten Spender gab es Zusagen für die Finanzierung von Lebensmitteln und Einweggeschirr.
Kochen fürs Leben
Gekocht wird das Essen im Rahmen des Projektes "IN VIA Menü plus", einer durch das Jobcenter geförderten Arbeitsgelegenheit für langzeitarbeitslose Personen. Die sollen dadurch an den Arbeitsmarkt herangeführt werden. "Mir gefällt das sehr gut", sagt Gabi Suhl, die seit drei Wochen in dem Projekt tätig ist. "Ich mache gern alles, was anfällt, vor allem das Kochen und Backen." So manche Kochidee hat sie auch schon zu Hause ausprobiert. Das ist durchaus gewollt, erklärt die Ökotrophologin Martina Schäfers, die zusammen mit Susanne Grünke die Fachanleitung für IN VIA Menü plus wahrnimmt. "Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lernen, gut und günstig zu kochen, und das mit frischen Produkten statt mit Dosennahrung."
Dass das gelingt, beweisen dankbare Rückmeldungen. "Es gibt sehr viel Wertschätzung für das Kochen für die Bahnhofsmission", sagt Margret Schwede. "Dass sie selbst Teil des Hilfesystems sind und damit quasi systemrelevant, und dass ihre Mahlzeiten als soooo lecker bezeichnet werden, das verleiht Sinnstiftung, vermittelt Gebrauchtsein und macht Spaß." Und so wurde beim Verlesen einer begeisterten Dankes-E-Mail in der Küche von IN VIA auch die eine oder andere Träne der Rührung verdrückt. "Zu Anfang haben wir an drei Tagen jeweils 80 Portionen gekocht, die von der Bahnhofsmission abgeholt, portioniert und ausgegeben wurden", erinnert sich Margret Schwede. "Bereits nach kurzer Zeit haben wir auf regelmäßig vier Tage die Woche und 100 Portionen ausgeweitet."
Neue Zielgruppen durch Corona
Aus hygienischen Gründen muss Einweggeschirr verwendet werden, aus ökologischen Gründen wird es aber so sparsam und umweltverträglich wie möglich eingesetzt. Zudem räumen zwei Mitarbeiter der Bahnhofsmission - beide Stellen gefördert im Rahmen des Teilhabechancengesetzes - jedes Mal rund um die Bahnhofsmission auf. "Das wird sehr positiv von allen Anliegern wahrgenommen", berichtet Sabine Bergmaier, Leiterin der Bahnhofsmission.
Auch wenn der Aufenthaltsraum gesperrt werden musste, ist die Bahnhofsmission nach wie vor sieben Tage die Woche geöffnet. Denn der Bedarf ist coronabedingt gestiegen. "Um etwa 40 Prozent", sagt Sabine Bergmaier. "Nicht nur Wohnungslose kommen und freuen sich über eine kostenfreie Mahlzeit, auch von Armut betroffene Familien und Rentner." Familien und ihre Kinder seien demnach eine neue Gruppe, die durch die Bahnhofsmission erreicht werde. Und die Nachfrage nach dem Essen ist ungebrochen hoch. Auch als die Tafel wieder geöffnet hatte, verringerte sich die Anzahl der Personen, die zur Bahnhofmission kommen und eine Mittagsmahlzeit mitnehmen, nicht wesentlich.
Zur gleichen Zeit hat sich die Zahl der Ehrenamtlichen allerdings von 28 auf 14 halbiert. "Viele von ihnen gehören zu den Risikogruppen", berichtet Sabine Bergmaier. "Die haben wir gebeten zu Hause zu bleiben." Umso willkommener ist die Belieferung durch das Projekt "IN VIA Menü plus" - eine sehr sinnvolle Verzahnung zweier sozialer Hilfsmaßnahmen, meint nicht nur Margret Schwede.