Qualifiziert und ausgebremst
Thomas Thieme arbeitet schon 15 Jahre im Interkulturellen Zentrum der Caritas in Fürstenwalde in der Flüchtlingsberatung. Hier können sich Flüchtlinge, Asylbewerber und andere ausländische Mitbürger beraten lassen zu Fragen, die sich im Zusammenhang mit ihrem Asylverfahren bzw. ihrem Aufenthalt in Deutschland ergeben.
Ein wichtiger Schlüssel bei der Gestaltung des Lebens in Deutschland und des damit verbundenen Integrationsprozesses, unabhängig, ob ein dauerhaftes Bleiberecht erreicht wird oder ob es zu einer Rückkehr in das Heimatland kommt, ist die ständige Auseinandersetzung mit der deutschen Kultur und Lebensweise. "Dazu gehört natürlich die Verbesserung von Sprachkenntnissen und die Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt", sagt Thomas Thieme. "Und natürlich die Anerkennung von Berufsabschlüssen, die diese Menschen aus ihrem Herkunftsland mitbringen." Und da genau liegt ein Problem.
Er berichtet von Emma Sch. aus Kasachstan, 60 Jahre alt. Etwa 15 Jahre lang hatte sie als Deutschlehrerin in Kasachstan gearbeitet, ehe sie vor ca. 20 Jahren nach Deutschland kam. Seitdem hält sie sich hier mit Honorartätigkeiten oder geförderten befristeten Jobs über Wasser, die für ihren Lebensunterhalt nicht ausreichen, so dass sie ergänzende Sozialleistungen in Anspruch nehmen muss. Ihren Beruf als Lehrerin darf sie hier nicht ausüben, denn das staatliche Schulamt erkennt eine Lehrerausbildung aus dem nichteuropäischen Ausland nicht an, obwohl wir hier einen expliziten Lehrermangel haben. Für Lehrer aus dem nichteuropäischen Ausland gibt es keine Anpassungsqualifikation. Sie müssten nochmal das gesamte Lehramtsstudium absolvieren.
"In Potsdam gibt es jetzt z.B. ein Programm, das Zuwanderern mit Hochschulstudium den Zugang zur sozialen Arbeit erleichtern soll", erzählt Herr Thieme. "Sie erhalten ein Zertifikat als "Fachkraft für soziale Arbeit", womit sie allerdings wenig anfangen können, denn trotz dieses Nachweises gelten sie als "ungelernt" - und als ungelernte Kräfte können sie auch ohne solch ein Zertifikat arbeiten."
Marina und Anna aus der Ukraine, die eine Heilerziehungspflegerin, die andere Erzieherin, sind durch ihre Partner nach Deutschland gekommen. Beide können mit ihrer abgeschlossenen Ausbildung hier nicht arbeiten, weil die Abschlüsse nicht anerkannt werden. Da beide noch sehr jung sind, riet Thomas Thieme zu einer erneuten Ausbildung. Das wollte das Jobcenter nicht so richtig einsehen. Es würde doch reichen, wenn die jungen Frauen einen Minijob annähmen. Herr Thieme stellte für Anna einen Bafög-Antrag, dem erst nach Widerspruch am letzten Tag vor Ausbildungsbeginn stattgegeben wurde. Mit viel Unterstützung und Sprachförderung kämpfte sie sich durch die ersten beiden Jahre. Im dritten Ausbildungsjahr schaffte sie es allein und erreichte den Abschluss.
Marina fand eine Anstellung bei einem Träger in Fürstenwalde als Inklusionsbegleiterin. Sie begleitet behinderte Kinder in einer Grundschule als Heilerzieherin und kompensiert schon mal den Ausfall einer Lehrerin.
"Das zeigt doch, dass Deutschland noch lange kein Einwanderungsland ist", empört sich Thomas Thieme. "Alle Regularien sind auf einen deutschen Lebenslauf abgestellt. Viele Jobs, die angeboten werden, erfordern eine Grundausbildung und mehrere Zusatzqualifikationen. Berufserfahrungen im nichteuropäischen Ausland interessieren häufig nicht."
"Wir müssen viel ressourcenorientierter denken", fordert er. "Welche Grundqualifikation bringt jemand mit, was muss er/sie noch erwerben? Und dann gezielt nachqualifizieren." Die Erfahrung in seiner Beratungsstelle zeigt jedenfalls, dass die meisten Migranten äußerst motiviert und lernwillig sind.
Kontakt
Überregionale Flüchtlingsberatung der Caritas in Fürstenwalde
Thomas Thieme
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