„Elf Freunde müsst ihr sein – egal woher"
Arm in Arm mit dem Gegner: Unter großem öffentlichem Interesse spielte das World Team des Flüchtlingsheims Eilmser Wald gegen die Hammer Spielvereinigung. Gemeinsam posierten die beiden Teams für ein Foto. Foto: Robert Szkudlarek
„World Team Eilmsen“ heißt es. Und in gewisser Weise ist jeder seiner Spieler ein Superstar. Denn jeder hat harte Strapazen hinter sich, hat den Weg über das Mittelmeer nach Deutschland geschafft. Sie kommen von überall her: Marokko, Eritrea, Ghana, Syrien, Bangladesch, Kosovo, Irak, Nigeria, Kirgisien, Indien, Sri Lanka und Ägypten. Für sie heißt es – frei nach dem alten Sepp-Herberger-Motto: „Elf Freunde müsst ihr sein – egal woher“.
Hamza, 20 Jahre jung, ein schmächtiger Marokkaner, kam vor acht Monaten über die Meerenge von Gibraltar und durch Spanien und Frankreich nach Deutschland. Seitdem wohnt er, tausende Kilometer von seiner Heimat entfernt, im Flüchtlingsheim Eilmser Wald. Von Beginn an ist er Teil des World Teams. Seine Augen glitzern, wenn er auf Fußball angesprochen wird. „Er spielt leidenschaftlich gerne und blüht dabei richtig auf. Damit ist er im Flüchtlingsheim nicht allein“, erklärt Peter Schlüter, durch den das World Team überhaupt entstanden ist. Schlüter wohnt in der Nähe des Flüchtlingsheims, hat selbst bis zu seinem 17. Lebensjahr Fußball gespielt und ist als Fan des FC Schalke 04 ein begeisterter Fussball-Liebhaber.
Als er mitbekam, dass die Bewohner des Flüchtlingsheims bis spät in die Nacht auf ihrem Bolzplatz mit zwei windschiefen Toren kickten, und sich die direkten Anwohner über die Lärmbelästigung beschwerten, beschloss er, aus dem Herumbolzen eine regelmäßige Aktivität zu machen. „Dieser Vorschlag stieß bei den Flüchtlingen auf pure Begeisterung“, erzählt Peter Schlüter. Nicht nur für die Flüchtlinge, sondern auch für die Caritas-Konferenzen aus Welver und den umliegenden Orten, die sich schon seit Jahren um die Bewohner des Flüchtlingsheims kümmern, ist das freiwillige Engagement von Peter Schlüter als Trainer des „World Team Eilmsen“ wie ein Sechser im Lotto.
„Für die Asylbewerber stellte das Fußballtraining eine sehr willkommene Unterbrechung des eintönigen Alltags dar“, erklärt Peter Schlüter. Denn wenn sie nicht Fußball spielen, ist das Leben der Flüchtlinge wie eine Warteschleife: Warten auf den nächsten Termin beim Amt, warten auf die Anerkennung als Flüchtling in Deutschland, warten auf die nächste Stunde des Integrationskurses, beten, dass sie nicht wieder in ihr Land zurückgeschickt werden, warten auf Klarheit.
Bescheidene Trainingsverhältnisse: Peter Schlüter und Hamza zeigen das windschiefe Tor und das kaputte Tornetz. Foto: Philipp Weitzel
Jedes Fußballteam fängt klein an: Peter Schlüter lässt sich von dieser Herausforderung nicht abschrecken. Zu Anfang trainierte das rund 15-köpfige World Team mit nur einem Ball und windschiefen Toren – das aber zwei bis drei Mal die Woche voller Leidenschaft. „Durch die riesige Unterstützung durch den SV Eilmsen-Vellinghausen, der von dem Projekt erfuhr, besitzt das World Team aber jetzt die stattliche Anzahl von 30 Bällen“, berichtet der Trainer. Schon bald stellte sich heraus, dass das regelmäßige Training nicht umsonst war. Im Juli 2014 stand das erste große Spiel an: Das World Team Eilmsen gegen den SV Eilmsen-Vellinghausen. „Das Spiel war eine großartige Chance für die Flüchtlinge, nicht wie gewohnt innerhalb des eigenen Teams zu spielen, sondern sich auch mit anderen Gegnern messen zu können“, schwärmt Peter Schlüter.
Zur Vorbereitung auf das Spiel stellte der Verein dem World Team Eilmsen seinen Trainingsplatz zur Verfügung und spendete den Asylbewerbern Trikots, Hosen, Stutzen und Fußballschuhe. Die Fussballer trainierten für das Spiel täglich zwei Stunden: Taktik, Kondition und Technik. Um den Flüchtlingen ein optimales und abwechslungsreiches Training zu bieten, nahm der Laien-Trainer You-Tube-Videos zur Hilfe und informierte sich über verschiedene Trainingsmöglichkeiten.
Im Spiel gegen den SV Eilmsen-Vellinghausen gab es zwar eine deutliche Niederlage, aber: „Das Ergebnis war letztlich egal, der eigentliche Sinn hinter dem Projekt, die Interaktion der Asylbewerber mit den Bewohnern von Eilmsen, war das Wichtigste“, bringt es Peter Schlüter auf den Punkt. Und dieses Ziel wurde mehr als erwartet erreicht: „Es gab keinerlei Berührungsängste. Man ging aufeinander zu und unterhielt sich angeregt“, erinnert sich Peter Schlüter.
Seine Frau Renate war es, die durch ihren Kontakt zu der Hammer Spielvereinigung ein weiteres Spiel organisieren konnte: Die dritte Mannschaft der Hammer Spielvereinigung wurde als adäquater Gegner auserkoren. „Von meiner Anfrage waren die Verantwortlichen hellauf begeistert“, erzählt Renate Schlüter. Denn die hatten gerade überlegt, wie sie sich im Rahmen der Integrationswoche einbringen.
Am 8. August fand das Spiel in der EVORA-Arena, einem Stadion mit 8.500 Plätzen, in Hamm statt. „Es herrschte ein großer Bahnhof“, staunt Renate Schlüter. Der WDR war mit einem Kamerateam angereist, die Zeitungen waren vor Ort und auch das Lokalradio berichtete vom Spiel, das die Hammer Spielvereinigung schließlich mit 11:2 gewann – aber das war nebensächlich. „Für die Asylbewerber war es wunderbar zu sehen, welch eine Aufmerksamkeit dieses Spiel erzeugte.“ Jeder einzelne wurde mit Namen aufgerufen und durfte sich seinen Applaus abholen. Hamza, der junge Marokkaner, hat leuchtende Augen, wenn er an dieses Spiel zurückdenkt. Und er nimmt sich vor, beim SV Eilmsen-Vellinghausen ein Probetraining mitzumachen. „Er ist einer der besten Spieler des World Teams“, sagt Peter Schlüter anerkennend.
Nach dem Spiel im August löste sich die Mannschaft des World Teams Eilmsen allerdings auf. Denn viele kickende Asylbewerber waren ausgezogen, neue Flüchtlinge angekommen. Wenn sich unter ihnen genug Fußball-Begeisterte finden, wird Peter Schlüter wohl bald ein neues World Team formen.