Der lange Weg zurück
Weil psychische Erkrankungen und Behinderungen jeden treffen können und er dafür sensibilisieren will, erzählt der 40-Jährige aus seinem bewegt-bewegenden Leben. Denn trotz aller Tiefen und Rückschläge hat Stefan V. sein Lebensmotto gefunden: „Das Beste machen aus dem, was kommt. Und: Ziele haben!“
Nach der Schule beginnt Stefan V. eine Tischlerlehre, die er jedoch nach zwei Jahren abbricht. „Ich hatte einen falschen Freundeskreis, wie man so sagt.“ Nicht die Arbeit bestimmt den Werktag im falschen Freundeskreis, sondern Alkohol und Haschisch. „Ich hatte trotzdem versucht, regelmäßig zu arbeiten“, betont er und fügt leiser hinzu: „Als Belohnung nach der Arbeit habe ich abends Bier getrunken.“ Beim Feierabendbier bleibt es nicht. „Langsam entwickelte sich aufgrund meines Alkohol- und Drogenkonsums eine Psychose.“ Die lange unentdeckt ist. „Erst, als ich verwirrt durch Arnsberg gelaufen bin, hat man mich zum Psychiater gebracht“, erzählt Stefan V. Richtig erinnern kann er sich daran nicht mehr.
Sieben Monate verbringt er anschließend in einer Klinik, wo seine Erkrankung behandelt wird. Nach der Entlassung findet Stefan V. mithilfe des Ambulant Betreuten Wohnens eine eigene Wohnung und nimmt an einer ambulanten Rehabilitation teil. Parallel dazu bleibt die Suche nach einer neuen Ausbildungsstelle ergebnislos. „Das hatte alles nicht geklappt. Aus Frust habe ich wieder getrunken und gekifft, flog anschließend aus der Wohnung“, blickt Stefan V. zurück. Ein schwerer Rückschlag. Zeitweise lebt er in einem Übergangswohnheim für Asylbewerber. „Schön war das nicht“, sagt er.
Aber dann hörte er vom Angebot des Stationären Einzelwohnens und von der Abteilung „Industrie-Dienst-Leistungen“ (IDL) der Caritas-Werkstätten St. Martin in Brilon. Dort hat man sich auf die Begleitung, berufliche Förderung und Rehabilitation von Menschen mit einer psychischen Behinderung spezialisiert. Der Arbeitsplatz wird nach den Fähigkeiten der Beschäftigten gestaltet. Inzwischen arbeitet Stefan V. bereits seit 13 Jahren in der IDL. „Ich habe eine positive Einstellung zur Werkstatt entwickelt“, sagt er. „Zum einen ist mir die Tagesstruktur sehr wichtig, zum anderen, dass ich in sieben Jahren Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente habe. Ich habe neue Kontakte gewonnen, aber zugleich gelernt, mich abzugrenzen.“ Und er hat Wertschätzung erfahren: „Es ist wichtig, dass man weiß, dass man eine wichtige Funktion hat. Hier in der Werkstatt gibt es keine Beschäftigungstherapie, sondern es ist richtige Arbeit.“
Stefan V.s Alltag hat sich stabilisiert. „Ich bin Mitglied im Modellbahnclub und habe dadurch Kontakt zu ‚normalen‘ Menschen“, sagt er augenzwinkernd. Darüber hinaus engagiert er sich im Werkstattrat. „Ich habe gelernt, einen eigenen Standpunkt zu finden und mich nicht von anderen mitziehen zu lassen. Außerdem sind klare Regeln wichtig, wie etwa abstinent zu bleiben. Ich habe in meinem Leben schon so viel Mist gebaut. Jetzt möchte ich etwas Gescheites machen, etwas Sinnvolles.“ Sein Ziel ist das, was die meisten als Normalität betrachten: „Eine größere Wohnung und etwas Platz für meine Eisenbahn. Ich möchte selbstständig sein, das heißt auch unabhängig vom Sozialamt.“