Zwischen Empathie und Abgrenzung
Wettermoderator Jörg Kachelmann mangelte es nicht an öffentlicher Aufmerksamkeit, als er in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Mannheim in Untersuchungshaft saß, bis er nach einem Aufsehen erregenden Prozess freigesprochen wurde. Vielen Gefangenen in der größten der 17 baden-württembergischen Haftanstalten droht hingegen die Isolation. "Menschen, die straffällig geworden sind, verlieren häufig den Kontakt nach außen, insbesondere wenn Familie und Freunde weiter weg wohnen oder die Tat sie entzweit hat", sagt Lisia Blumenrath vom SKM, Verein für soziale Dienste.
Die JVA ist deshalb an ehrenamtlichen Begleitern für diese Menschen interessiert und hat im SKM - früher hieß er mal Sozialdienst katholischer Männer - einen externen Partner gewonnen. Seit 2010 arbeiten sie zusammen: Der SKM wirbt Ehrenamtliche an, die eine Brücke zwischen Gefängnis und Außenwelt bauen sollen. "Sie können den Inhaftierten helfen, das Leben außerhalb der JVA nicht aus den Augen zu verlieren", sagt die Diplom-Pädagogin. Sie erinnert sich an einen Häftling, der sich bei seiner Betreuerin beklagte, dass er im Gefängnis keine Arbeit bekam - bis sie ihm erklärt habe, dass auch draußen niemand nach der ersten Bewerbung damit rechnen könne, sofort einen Job zu bekommen. "Ehrenamtliche können ein Stück Realität in den Gefängnisalltag bringen."
Über 755 Haftplätze nur für Männer im geschlossenen Vollzug und in Untersuchungshaft verfügt die Anstalt im Stadtteil Herzogenried. Die "ganze Bandbreite" an Straftaten ist vertreten: von Sexualdelikten bis zum Mord. Hinzu kommen Plätze für Menschen, die in Abschiebehaft genommen wurden. Insgesamt 44 Prozent aller Gefangenen sind keine Deutschen. Sie gehören 60 unterschiedlichen Nationalitäten an. Der SKM und die JVA Mannheim suchen deshalb besonders ehrenamtliche Betreuer, die einen Migrationshintergrund haben. Sei ein Mensch in demselben Land aufgewachsen und teile ähnliche Erfahrungen, entstehe oft eine Art "Heimatgefühl". In der von Ehrenamtlichen angebotenen Spielegruppe für Abschiebehäftlinge habe es beispielsweise genügt, dass ein Student dazu gestoßen sei, der den Migrationshintergrund ebenso wie die englische Muttersprache mit ihnen teilte. Die Gefangenen hätten sich ihm sofort verbunden gefühlt und ganz anders zugehört. Schach- und Gesprächsgruppen sollen das Einerlei des Gefängnisalltags ebenso durchbrechen helfen wie eine russische Bibelgruppe, die schon lange von drei Russisch sprechenden Männern angeboten wird. Daneben gibt es die vom SKM begleitete Einzelbetreuung, die aus Mitteln der Glücksspirale und durch das Erzbischöfliche Ordinariat Freiburg finanziert wird: 48 Menschen, davon elf mit einem Migrationshintergrund, widmen sich dieser laut Lisia Blumenrath "manchmal frustrierenden" Aufgabe und bemühen sich, auch nach Rückschlägen am Ball zu bleiben. "Viele Insassen kennen es nicht, dass sich jemand für sie interessiert", sagt Lisia Blumenrath. Umso wichtiger sei es, dass die Ehrenamtlichen regelmäßig und verlässlich "ihre" Gefangenen besuchen. Zumal für sie über die monatlich erlaubten drei Stunden hinaus großzügigere Besuchsregeln gelten. Wer sich dafür interessiert, sollte mindestens 18 Jahre alt und in den letzten fünf Jahren nicht selbst mit der Justiz in Konflikt gekommen sein. Empathie für die Gefangenen gehört ebenso dazu wie die Fähigkeit, sich abzugrenzen. Menschen aller Altersgruppen, in der Mehrzahl mitten im Berufsleben Stehende, aber auch Studierende sowie Rentnerinnen und Rentner melden sich bei Lisia Blumenrath. Nach einem Vorgespräch lädt sie zu einem zweitägigen Einführungskurs ein. Der Sozialdienst bemüht sich, passgenaue Kontakte zwischen Betreuern und Inhaftierten herzustellen. "Einem älteren gebildeten und gepflegten Gefangenen, der sich gute Gespräche wünscht, ist mit einer zwanzigjährigen jungen Frau nicht gedient. Einem jungen Gefangenen kann möglicherweise eine mütterliche Frau als Betreuerin gut tun." Im Büro des Sozialdienstes können sie sich erst mal beschnuppern. "Wenn sie nicht ins Gespräch kommen, hat es für beide keinen Sinn." Bei manchen "funkt" es auf Anhieb.
Kontakt: SKM - Katholischer Verein für soziale Dienste in der Erzdiözese Freiburg e.V., Projekt "Straffälligenhilfe in der JVA Mannheim", Lisia Blumenrath, Heidelberg, Tel. 06221/436223, E-Mail: blumenrath@skmdivfreiburg.de