Sonderzug für das Leben
Pünktlich um 11:26 Uhr rollte am 13. Oktober 2018 eine eigens für diesen Tag gestaltete Berliner S-Bahn am Südkreuz ein. "Willkommen im Sonderzug für das Leben! Ring 41, zurück bleiben bitte!"- Caritasdirektorin Ulrike Kostka gab über das Mikrofon der Fahrerkabine aus das Startsignal zum Aktionstag, zu dem rund 50 junge Ehrenamtliche des Caritas-Projekts [U25] aus ganz Deutschland gekommen waren. Für sechs Stunden war eine S-Bahn unterwegs, um das Thema Suizid aus der Tabu-Ecke zu holen. Ziel der Aktion war es, mit den Fahrgästen ins Gespräch zu kommen, Infomaterial zu verteilen und auf Hilfsangebote aus ganz Berlin aufmerksam zu machen.
"Es war ein sehr bewegender Moment, als der Sonderzug eingefahren ist, nachdem wir so lang darauf hingearbeitet haben. Wir konnten schon während der ersten Fahrt auf dem Ring mit klassischen Vorurteilen, die man zum Thema Suizid im Kopf hat, aufräumen und mit vielen Menschen sprechen", strahlte Anna Gleiniger, Projektleiterin des Berliner Standorts von [U25].
Für gute Stimmung sorgte auch der S-Bahn-Fahrer des Tages, er ließ immer wieder junge Ehrenamtliche an seinen Arbeitsplatz, um Durchsagen über die Lautsprecher im Zug möglich zu machen: "Hallo, ich bin Michelle von [U25]. Wussten Sie, dass in einem Jahr mehr Menschen an Suizid sterben, als an illegalen Drogen, Aids oder Verkehrsunfällen? Achten Sie auf Ihre Mitmenschen und sprechen Sie sie an, wenn Sie merken, dass es Ihnen nicht gut geht. Denn ein Gespräch kann Leben retten".
Dr. Thomas Götz, Landespsychiatriebeauftragter in Berlin, brachte in seinem Grußwort zum Aktionsstart auf den Punkt, dass es sich bei Suizidgedanken keineswegs um ein Randphänomen handelt: "Über 500 junge Menschen nehmen sich jährlich das Leben. Wenn wir auf die Erwachsenen schauen, sind es deutschlandweit mehr als 10.000 Personen. Es ist immens wichtig, dass wir uns dieser Personen annehmen, auf Beratungsangebote hinweisen und uns selbst dafür sensibilisieren, was wir tun können."
Auch Peter Buchner, Geschäftsführer der S-Bahn-Berlin, war von der Idee begeistert, mit der Aktion Menschen in Krisen zu unterstützen: "Wir wollen mit dem Sonderzug diejenigen erreichen, die ihr Leben für nicht mehr lebenswert erachten - vielleicht fährt der eine oder andere mit und kann die Hilfe gleich heute in Anspruch nehmen."
In der S-Bahn angesprochen, zeigten sich die Berlinerinnen und Berliner tatsächlich durchweg offen. Am Ende des Tages konnten die jungen Ehrenamtlichen vor allem Motivation mit nach Hause nehmen: "Ich bin total überrascht, wie viele Menschen von sich aus auf uns zugekommen sind, wie viele interessiert an dem Thema sind und wir bekommen dadurch Anerkennung für das, was wir tun", so Julia aus Paderborn.
Zur Entstehungsgeschichte von [U25]
Das Konzept setzt da an, wo sich Jugendliche zu Hause fühlen: im Netz. Junge Erwachsene, sogenannte Peers, beraten anonym und auf Augenhöhe andere mit Suizidgedanken per E-Mail. 2002 ist das Projekt in Freiburg gestartet. Inzwischen gibt es zehn Standorte, den Berliner seit 2013. In ganz Deutschland betreuen mittlerweile 200 Ehrenamtliche zwischen 16 und 25 Jahren um die 1.200 Klienten jährlich.