Zeit schenken und Mut machen
Verhaltensauffälligkeiten, Sprachdefizite, Schwierigkeiten in der Schule - wenn Kinder solche Probleme haben und ihre Eltern durch besondere Lebensumstände stark belastet sind, dann kann die Hilfe eines ehrenamtlichen Begleiters viel bewirken. Der Caritasverband Gießen setzt in der Schulsozialarbeit Sozialpaten ein. Sie schenken vor allem eines: Zeit.
Sozialpädagogin Andrea Schaal-Walosik bietet Sozialarbeit an der Lückebachschule in Garbenteich und der Regenbogenschule in Holzheim im Landkreis Gießen an. Seit April 2013 leitet sie das Sozialpaten-Projekt, in dem bereits 34 Kinder begleitet wurden. Inge Wegricht ist eine derjenigen, die sich ein bis zwei Stunden pro Woche um ein Kind kümmern. Schon zum siebten Mal hat sie diese Aufgabe übernommen. "Es geht darum, das Kind ein Stück auf seinem Weg zu begleiten, für es da zu sein und ihm zu zeigen: Es gibt jemand, für den Du wichtig bist." Schaal-Walosik ergänzt: "Die Schulen schauen vor allem auf die Defizite der Schüler. Die Paten dagegen ermutigen Kinder, die wenig positive Erfahrungen haben."
Überforderte Eltern
Voll erwerbstätige Alleinerziehende, Eltern in Trennung oder Scheidung, mit ausländischen Wurzeln, Arbeitslose - die Hintergründe in den beteiligten Familien der betreuten Kinder sind vielfältig. Die Eltern wollen das Beste für ihr Kind, kommen aber aufgrund einer belastenden Lebenssituation an ihre Grenzen.
Das erste Kind, das Inge Wegricht begleitet hat, war in der Schule verhaltensauffällig. "Das hat sich im Laufe der Betreuung gelegt. Das Gefühl, dass ihm jemand zuhört, dass es jemanden ganz für sich hat und es unterstützt, wo es etwas selbst nicht gut kann, hat ihm geholfen", ist die Sozialpatin überzeugt.
Kleine Hilfe - große Wirkung
Das ist kein Einzelfall. Andrea Schaal-Walosik ist immer wieder erstaunt, wie positiv die Mädchen und Jungen sich verändern. Auch wissenschaftliche Studien haben belegt: Kinder können sich trotz widrigster Umstände gut entwickeln, wenn es zumindest eine erwachsene Person neben den Eltern gibt, an die sich das Kind vertrauensvoll wenden kann. Wenn weder Großeltern noch Onkel oder Tante diese Rolle übernehmen können, kann das auch ein Sozialpate sein. Ein kleines Maß an Hilfen in frühen Jahren kann so spätere gravierende Probleme des Kindes verhindern helfen, ist die Sozialpädagogin überzeugt. Und es reduziere ein wenig die Chancenungleichheit.
Meist werden zuerst die Hausaufgaben erledigt. Dabei jemanden zu haben, bei dem sie sich trauen zu fragen, wenn etwas unklar ist, hilft nicht nur bei Kindern mit Sprachproblemen. Danach wird gespielt, vorgelesen, gebastelt, gemalt, ein Spielplatz oder ein Schwimmbad besucht - ganz nach den Wünschen des jeweiligen Kindes.
Schaal-Walosik achtet darauf, dass Sozialpate und Kind zusammenpassen und sich in einer mehrwöchigen Schnupperphase kennenlernen. Die Paten werden in einer Schulung vorbereitet, intensiv von ihr begleitet und regelmäßig fortgebildet. Gemeinsame Ausflüge von allen Kindern und Paten sind bei allen sehr beliebt.
Klar begrenzte Aufgaben fürs Ehrenamt
Wegricht findet es dabei sehr wichtig, dass ihre Aufgabe klar begrenzt ist. Die Betreuung läuft jeweils für ein Schuljahr und für nicht mehr als zwei Stunden pro Woche. Die Paten übernehmen nicht die Rollen von Sozialarbeitern, Therapeuten oder Nachhilfelehrern. Sie sollen die Eltern weder ersetzen noch beeinflussen. Regelmäßig gibt es Treffen mit Schaal-Walosik und den anderen Paten, wo Probleme besprochen werden können. "Das ist wichtig, weil wir manchmal an unsere Grenzen kommen", betont Inge Wegricht.
Nicht nur die positiven Veränderungen bei den Kindern motivieren sie immer wieder erneut weiterzumachen. "Sie freuen sich auf jede Stunde mit uns. Und sie schenken uns ihr Herz!"
Text: Andrea Kipp