Arbeitgeber Caritas - weg mit den Vorurteilen
Sozialcourage: Die diözesane Caritas in Osnabrück hat die Kampagne "Die Caritas zeigt Gesicht" veröffentlicht und damit ein weites Echo ausgelöst. Was waren die Gründe dafür?
Hartmut Langner: Obwohl die Caritas bei ihren Klientinnen und Klienten und in der Öffentlichkeit einen sehr guten Ruf hat, hat sie ein schlechtes Image als Arbeitgeber, weil ihr unterstellt wird, zu stark auf private Belange ihrer Mitarbeitenden zu achten.
Da die Caritas ein kirchlicher Verband ist, erwarten viele Menschen, dass Mitarbeitende katholisch sein müssen und strenge Regeln für die private Lebensführung gelten: keine Scheidung, keine Homosexualität, regelmäßiger Gottesdienstbesuch und einiges andere mehr.
Die Caritas legt großen Wert darauf, dass ihre Mitarbeitenden sich mit den Zielen und Werten der katholischen Kirche identifizieren können. Die genannten Zuschreibungen und Vorurteile, die bei vielen Menschen noch existieren, gelten jedoch nicht oder nicht mehr. Der Fachkräftemangel und diese Vorurteile sind zusammen ein gefährlicher Mix, der dazu führen kann, dass zukünftig Arbeitsstellen bei der Caritas nicht besetzt werden könnten.
Zudem wollen wir unseren Mitarbeitenden damit signalisieren, dass wir alle möglichen Schritte gehen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Uns liegt es am Herzen, die Vorurteile zu korrigieren und die Vorteile, die Caritas als Arbeitgeber bietet, herauszustreichen und adäquat zu platzieren.
Gab es einen besonderen Anlass?
Es gab keinen besonderen Auslöser für den Zeitpunkt des Kampagnenstarts - wir wollten tätig werden, bevor das Problem der offenen Arbeitsstellen einen Umfang erreicht, der für unsere KlientInnen und Dienstleistungen schwierig wird.
Uns war klar, dass wir laut und vernehmlich mit der Kampagne auftreten mussten, um Gehör zu finden. Es ging darum, die bestehenden Vorurteile aufzubrechen und unsere Vorteile zu kommunizieren.
Gezeigt wurden Fotos von echten Menschen mit echten Themen: Caritas-Mitarbeitende und deren höchst private sexuelle Orientierung, Religion, Loyalität gegenüber kirchlichen Regeln. War es leicht, die Echtmodels zu finden?
Zur Fragestellung: Die "höchst private sexuelle Orientierung" haben wir in der Kampagne bewusst herausgelassen - darauf komme ich später!
Die Suche nach den Models klappte überraschend gut und zeitnah - die angesprochenen Mitarbeitenden fanden die Kampagnenidee sehr gut und konnten schnell dafür begeistert werden. Bestehende Ängste konnten wir weitestgehend ausräumen - alle Models würden sich auch bei einer weiteren Kampagne wieder zur Verfügung stellen und haben ihren Einsatz in keinster Weise bereut.
Der Tag des Fotoshootings mit dem Top-Fotografen Tomaso Baldessarini in einem Osnabrücker Hotel war für alle Beteiligten ein absoluter Höhepunkt - das Team der von uns beauftragten Agentur Stiehl/Over aus Osnabrück hat rund um die Kampagne einen exzellenten Job gemacht.
Mussten Sie Themen ausklammern?
Nach einem intensiven Austausch mit den Mitarbeitenden der Caritas - hier insbesondere den Mitarbeitervertretungen - haben wir kein Motiv gezeigt zu homosexuellen Mitarbeitenden, obwohl wir viele homosexuelle Mitarbeitende beschäftigen, einige von ihnen in eingetragenen Lebenspartnerschaften oder gleichgeschlechtlichen Ehen. Wir haben das Thema nicht aufgegriffen, weil uns Mitarbeitende gebeten haben, nicht mit der sexuellen Orientierung von Kolleginnen und Kollegen Werbung zu machen.
Die Grundordnung formuliert hier zudem besondere Anforderungen, die wir nicht außer Acht lassen konnten - wir wollten keine Pauschalaussagen signalisieren, die wir nicht garantieren können.
Was für Reaktionen haben Sie und eventuell die Models erfahren?
Die Models haben sehr positive Reaktionen von Familienangehörigen und Freunden erhalten, aber auch aus dem KollegInnenkreis gab es sehr positive Feedbacks: "Toll, dass du für uns Gesicht zeigst."
Auf der verbandlichen Ebene war das Stimmungsbild sehr bunt: von absoluter und euphorischer Begeisterung bis hin zur scharfen und polemischen Kritik. Die Kampagne hat aber auch eine Diskussion innerhalb der Mitarbeiterschaft ausgelöst: Was macht uns als kirchlicher Verband aus?
Gab es auch Rückmeldungen von kirchenamtlicher Seite?
Die Bistumsleitung war von Anfang an in unsere Überlegungen und Planungen eingebunden und hat uns jederzeit die notwendige "Rückendeckung" gegeben - das war sehr hilfreich und wirkungsvoll. Darüber hinaus hat sich das Bistum auch finanziell an der Kampagne beteiligt. Zum Kampagnenauftakt am 3. September 2018 hat der Bischof "sein Gesicht" in der Presse gezeigt und in halbseitigen Annoncen die Kampagne sehr unterstützt.
Konnten Sie die Kampagne wie geplant durchziehen, oder waren Korrekturen und Umsteuerungen angeraten?
Wir haben sehr sorgfältig geplant und konnten daher die Kampagne tatsächlich wie gedacht durchziehen. Mit einer Macke: Gleich zu Beginn ist uns eine echte Panne passiert. Ein Motiv war ein Zwilling. Die Mitarbeiterin Ulrike sagt: "Ich gehe zur Arbeit und nicht in die Kirche", der Mitarbeiter Ottmar sagt: "Ich gehe zur Arbeit und in die Kirche." Beide Aussagen zusammen bilden die Realität ab, und so war klar, dass wir diese beiden Motive immer nur zusammen zeigen. Zum Start der Kampagne war Ulrike beim Pressetermin dabei und wir haben sie vor "ihrem" Plakat fotografiert, um die echte Kollegin zu zeigen. Das Ergebnis: Die Kampagne startete optisch mit der Botschaft "Ich gehe zur Arbeit und nicht in die Kirche." Das hat einige Missverständnisse ausgelöst …
Wie würden Sie den Ertrag der Kampagne für die Caritas zusammenfassen? Wie für den Verband? Wie für die beteiligten Mitarbeitenden?
Unsere Zielsetzungen für eine erfolgreiche Kampagne haben wir an folgenden Indikatoren festgemacht:
- wenn wir öffentliche Aufmerksamkeit finden,
- wenn wir in Bewerbungsverfahren oder -gesprächen bemerken, dass wir eine offenere Haltung der Bewerberinnen und Bewerber zu unseren Themen vorfinden,
- wenn wir hören, dass BewerberInnen über die Kampagne auf uns aufmerksam geworden sind,
- wenn wir von anderen Wohlfahrtsverbänden gefragt werden, mit welcher Agentur wir die Kampagne auf den Weg gebracht haben.
Diese Ziele haben wir alle erreicht - es ging primär nicht darum, Bewerberzahlen steigern zu wollen! Vielmehr wollten wir einen Beitrag leisten, das bestehende Image positiv zu verändern, und wir wollten uns als weltoffener und "bunter", attraktiver Arbeitgeber präsentieren. Die Nachwirkungen der Kampagne sind weiterhin gut spürbar: Bewerberinnen und Bewerber beziehen sich auf Themen der Kampagne, oder es erreichen uns Anfragen anderer Träger. Wir halten die Kampagneninhalte weiterhin fokussiert und platzieren sie immer wieder an verschiedenen Stellen - das bewährt sich als Nachhaltigkeits-Phase der Kampagne.
Würden Sie solch eine Kampagne wieder machen?
Eine solche Kampagne wird man wohl eher nur einmal in dieser Form und "Wucht" durchführen können. Wir werden sicherlich auch in Zukunft immer wieder mal mit vernehmbaren und überraschenden Inhalten - die auch bis an die Grenzen gehen können, die uns möglich sind - an die Öffentlichkeit gehen.
Was würden Sie ändern?
Ändern - eigentlich nichts! Wünschenswert wäre, wenn die Kampagneninhalte auch von anderen Caritasverbänden zumindest teilweise adaptiert würden, damit die positive Wirkung sich weiter verstärkt, wir unsere Vorteile als attraktiver Arbeitgeber in den Mittelpunkt stellen können und die Vorurteile, die uns begegnen, abgebaut werden - die Kampagne "Caritas zeigt Gesicht" ist eine mutige Kampagne.
Aber es hat sich gelohnt: Ich - und das sage ich auch im Namen des gesamten Projektteams - bin sehr dankbar, dass wir im Bistum Osnabrück zusammen mit dem Caritasverband Bremen diesen Weg gehen konnten.