Von Normalität noch weit entfernt
David Dupke legt eine Holzfaserplatte in die Kreissäge und schneidet sie auf das erforderliche Maß. Konzentriert und routiniert führt er mit einem Kollegen die Sägearbeiten in der Schreinerei der St. Laurentius-Werkstätte aus. Später werden die Platten mit einem Rahmen und einem Fenster zu Trennelementen für die Arbeitsplätze in den anderen Bereichen der Werkstätte zusammengebaut. David Dupke arbeitet in der St. Laurentius-Werkstätte des Caritas-Verbandes Hagen. Obwohl auch Werkstätten und Einrichtungen der Behindertenhilfe deutlich von den Auswirkungen der Corona-Krise betroffen waren und sind, standen sie eher selten im Fokus der Öffentlichkeit.
Die Abtrennungen mit Sichtfenster sind nur eine der zahlreichen Maßnahmen, die zum Schutz vor Infektionen mit dem Coronavirus umgesetzt werden. Überall sind auf den Fußböden die Laufrichtungen gekennzeichnet. Wer seinen Arbeitsplatz verlässt, muss eine Mund-Nasenmaske tragen. Der Kiosk im Eingangsbereich hat geschlossen. Nur etwa die Hälfte der insgesamt 620 Arbeitsplätze an drei Standorten für Menschen mit geistigen, körperlichen und psychischen Behinderungen sind in den ersten Wochen nach dem Lockdown besetzt. Jene, die wieder arbeiten, scheinen sichtlich froh darüber zu sein. Sie schrauben, montieren, verpacken, schreinern oder gärtnern und können so am Arbeitsleben teilnehmen und auch eigenes Geld verdienen. Die sogenannten arbeitsbegleitenden Maßnahmen, zu denen Sport, Malen, Kegeln sowie Ausflüge und Feste gehören, entfallen allerdings meist noch. "Wir sind froh, dass das Basketballtraining jetzt wiederaufgenommen werden kann", sagt Werkstattleiter Meinhard Wirth. Sonst falle aber noch alles aus, "was Spaß macht".
Die Zeit des Lockdowns, als vom 17. März bis 11. Mai keiner der Menschen mit Behinderungen mehr in die Werkstätte durfte, sei für alle Beteiligten sehr hart gewesen. "Für Angehörige gab es da genauso ein Betreuungsproblem, wie im Fall von Kindern oder alten Menschen", erläutert Meinhard Wirth. Es habe Notgruppen gegeben und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort und in den Wohneinrichtungen hätten sich bis zur Belastungsgrenze eingesetzt. Viele der Betroffenen konnten die Maßnahmen zudem nicht verstehen. "Wenn jemand dann jeden Morgen am Fenster steht und auf den Bus zur Arbeit wartet, ist das auch für die Mitarbeiter nicht leicht", erklärt Meinhard Wirth. Bis heute vermisst er Anerkennung und öffentliche Aufmerksamkeit für die Situation der Menschen mit Behinderungen und der Beschäftigten in den Einrichtungen der Behindertenhilfe. Bundesweit gebe es rund 13 Millionen Menschen mit einer Beeinträchtigung, mehr als 15 Prozent der Bevölkerung. Von der Corona-Krisenpolitik seien diese weitgehend übersehen worden.
In der Krise waren die rund 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der St. Laurentius-Werkstätte auch gefordert, wenn es um die Aufrechterhaltung der Produktion ging. Die Aufträge von Unternehmen mussten bearbeitet werden, obwohl die Menschen mit Behinderungen nicht als Arbeitende zur Verfügung standen. Während für diese ein Betretungsverbot galt, durften die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Behindertenhilfe aber vor Ort sein. "Da haben dann vom Bufdi bis zum Gruppenleiter alle mitgeholfen und die Arbeiten übernommen", erinnert sich Meinhard Wirth.
Noch sind nicht alle Menschen mit Behinderungen wieder an ihre Arbeitsplätze zurückgekehrt. "Viele von ihnen oder auch die Angehörigen haben noch große Angst vor einer möglichen Ansteckung", weiß Werkstattleiter Meinhard Wirth. "Von Normalität sind wir noch sehr weit entfernt."