Zu den Kranken bis in den hintersten Winkel
Im 19. Jahrhundert organisierten viele Pfarreien diese Hilfe in Kranken- oder Hauspflegevereinen, die teils ehrenamtlich arbeiteten, aber zunehmend auch Hauptamtliche einstellten. Diese erhielten ihren Lohn überwiegend in Naturalien, Kost und Logis. In der Weimarer Zeit wurde zwar die Struktur des Sozialstaates angelegt - doch Mittel gab es keine. Einigermaßen unbelästigt konnten Kirchen und Orden im Dritten Reich ihre Krankenfürsorge weiterbetreiben. Der NS-Staat sah dies als nützlich an und konzentrierte seine Ressourcen auf den Aufbau der Kriegsmaschinerie. Die junge Bundesrepublik knüpfte an die Weimarer Gesetzgebung an und baute nach und nach den Wohlfahrtsstaat auf, der auch Kranken mehr Absicherung bot.
In den 1950er-Jahren kam zur Kranken- und Familienpflege die ambulante Altenpflege hinzu. Die Älteren unter uns mögen sich noch an die Gemeindeschwester oder die Diakonissin erinnern, die Tag und Nacht sowie bei Wind und Wetter ihre Krankenbesuche abstattete, im Sommer per Fahrrad, im Winter mit dem Schlitten im Schlepptau. Die Pflegerinnen waren weithin Einzelkämpferinnen in ihren Gemeindepflegestationen. Der Rückgang der Orden, die Kostenexplosion in der medizinischen Versorgung, die unattraktiven Arbeitszeiten, ungeregelte Bezahlung und die chronische Armut der öffentlichen Hand sorgten in den 60er-Jahren derart für Personalmangel, dass die Gemeinden und Pfarreien in Handlungsdruck kamen.
Eine Idee erobert ganz Europa
Einen Meilenstein setzte 1972 die "Denkschrift des Deutschen Caritasverbandes zur Neuordnung der Gemeindekrankenpflege" (Lambertus-Verlag, Freiburg, 1972). Die Gemeindepflegestationen sollten zentralisiert und wirtschaftlich gesichert werden. Zwar in der Trägerverantwortung der Kirchengemeinden sollte jedoch der zuständige Caritasverband in "zeit- und sachgerechter Weise" und in Teams von mindestens acht Fachkräften die häusliche Pflege übernehmen. Finanziert werden sollte alles über Nutzungsentgelte, Kostenübernahmen der Kassen, Förderzuschüsse der Kommunen und Kreise sowie Trägermittel. Die Idee der Sozialstation von heute war geboren!
Als Hauptarchitektinnen der Sozialstationen gelten die Referentinnen für Krankenpflege der Diözesan-Caritasverbände Freiburg und Mainz, Marta Belstler und Gertrud Skowronski sowie der spätere Mainzer DiCV-Direktor Günter Emig. Gemeinsam erarbeiteten sie das Konzept eines mobilen Dienstes für pflegebedürftige Menschen in den eigenen vier Wänden. Sie orientierten sich an Belgien, wo es die organisierte Hauspflege bereits gab. Am 1. Oktober 1970 wurde in Worms mit St. Lioba die erste "Zentralstation" gegründet, deren Leitung Gertrud Skowronski für die ersten sechs Monate selbst übernahm. Im DiCV Freiburg konnte Marta Belstler 1972 in Karlsruhe die erste Sozialstation eröffnen.
1975 startete Ingeburg Barden in Treis bei Trier als junge Krankenschwester in der Sozialstation ihr Berufsleben. Als Referentin für ambulante Pflege erlebte sie später in der Zentrale des DCV die Öffnung für den privaten Markt sowie den ersten Testlauf für die Pflegeversicherung, deren Einführung 1995 schließlich zum heutigen breiten Anbietermarkt führte. Auch an den Zusammenbruch des DDR-Systems der staatlichen Gemeindeschwestern erinnert sich Barden noch sehr gut sowie an die Eröffnung der ersten Sozialstation auf dem Gebiet der ehemaligen DDR am 31. August 1990 in Erfurt unter der Leitung der Ordensschwester Elisabeth. Diese Ordensschwester war es auch, die einige Jahre darauf nach Sibirien ging, um dort eine erste Sozialstation zu gründen. Ingeburg Barden selbst unterstützte ab 2002 tatkräftig zahlreiche Caritasverbände in Osteuropa und auf dem Balkan beim Aufbau eines häuslichen Pflegesystems. Der von ihr verfasste und mitherausgegebene "Ratgeber Hauskrankenpflege" (Trias-Verlag) wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und ist zum internationalen Standardwerk geworden.
Langzeitarbeitslose nicht abhängen
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