ALG II: Keine Sanktionen für Jüngere Sanktionen für Jüngere gehören komplett abgeschafft – und dafür Angebote nach § 16 h ausgebaut!
Sanktionen galten bisher als Anreiz oder Druckmittel, damit sich Arbeitslosengeld-II-Beziehende (ALG) um eine Arbeitsaufnahme bemühen beziehungsweise an Förderangeboten des SGB III teilnehmen und somit ihren gesetzlichen Pflichten nachkommen. Die Jugendsozialarbeit fordert jedoch seit Jahren, Sanktionen für unter 25-Jährige abzuschaffen. Dass das Bundesverfassungsgericht für über 25-Jährige Sanktionen von mehr als 30 Prozent des Regelsatzes bis hin zu Totalsanktionen als verfassungswidrig einstufte, dabei aber die unter 25-jährigen nicht einschloss, ist eine Ungleichbehandlung. So konnte das ALG II bei jüngeren Menschen weiterhin bei einer Pflichtverletzung auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung reduziert sowie bei wiederholter Pflichtverletzung ganz gestrichen werden. Der Gesetzgeber war dringend gefordert, hier nachzubessern!
Die häufigsten Sanktionsgründe bei unter 25-Jährigen sind Meldeversäumnisse, also nicht wahrgenommene Termine des Jobcenters. Aufgrund ihrer vielschichtigen Problemlagen sind die jungen Menschen oftmals nicht in der Lage, Termine einzuhalten. Daher ist ihre "Bestrafung" weder aus pädagogischer Sicht noch im Hinblick auf eine Integration in Ausbildung und Beschäftigung zielführend. Im Gegenteil: Laut wissenschaftlichen Studien führen Sanktionen teils dazu, dass junge Menschen sich vom Hilfesystem abwenden. In diesen Fällen besteht die Gefahr, dass sie in prekäre, armutsbelastete Lebenslagen, in Wohnungslosigkeit oder Kriminalität abrutschen.
Mit dem Moratorium vom 16. März 2022 wollte das Bundeskabinett die geltenden Sanktionsregelungen bei Pflichtverletzungen bis zum Jahresende 2022 befristet außer Kraft setzen. Jedoch wurde diese ursprünglich vorgesehene Aussetzung bei Meldeversäumnissen nach § 32 SGB II im Gesetz zur Regelung eines Sanktionsmoratoriums gestrichen. Aus Sicht der Jugendsozialarbeit ist dies nicht nachvollziehbar.
Hinsichtlich der Gleichbehandlung der unter 25-Jährigen stellt der Koalitionsvertrag in Aussicht, dass junge Menschen im Sanktionsfall künftig ein Coaching-Angebot in Abstimmung mit der örtlichen Jugendhilfe (nach § 16 h SGB II) erhalten sollen. Diese Verknüpfung von Sanktionen mit dem Hilfeangebot des § 16 h zur Förderung schwer zu erreichender junger Menschen birgt offene Fragen. Zunächst ist es richtig und wichtig, dass mit dem § 16 SGB II ein Förderinstrument aufgelegt wurde, um vom System abgewandte junge Menschen anzusprechen und zu verhindern, dass sie verloren gehen. Hierbei handelt es sich um ein freiwilliges und niedrigschwelliges Angebot, um in einem ersten Schritt mit diesen jungen Menschen in Kontakt zu treten. Wenn die sozialpädagogische Ansprache gelingt und eine tragfähige Beziehung aufgebaut werden kann, ist im zweiten Schritt vorgesehen, die jungen Menschen für ein schulisches oder berufliches Bildungsangebot zu gewinnen, und ihnen somit eine Perspektive anzubieten. Schon seit längerem kritisiert die Jugendsozialarbeit, es sei nicht zielführend, junge Menschen durch verschärfte Sanktionsregelungen auszugrenzen und sie gleichzeitig mit der Förderung nach § 16 h wieder integrieren zu wollen.
Bei der Absicht der Bundesregierung, den unter 25-Jährigen im Sanktionsfall ein Coaching-Angebot nach § 16 h SGB II anzubieten, treffen zwei gegenläufige Förderlogiken aufeinander: Sanktionen sind ein Druckmittel mit Strafcharakter. Im Gegensatz dazu basiert der § 16 h auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Im Gefolge von Sanktionen verpflichtend angewandt, würde die Freiwilligkeit konterkariert. Der § 16 h darf jedoch auf keinen Fall in diesem Sinne instrumentalisiert werden. Das Förderangebot muss als freiwilliges Unterstützungsangebot der Jugendsozialarbeit für junge Menschen erhalten werden, wenn es ein wirkungsvolles Instrument bleiben soll. Völlig offen bleibt daher die Frage, was passiert, wenn junge Menschen dieses freiwillige Angebot nicht annehmen (können). Hierzu findet sich im Koalitionsvertrag keine Aussage. An dieser Stelle ist der Gesetzgeber eine Antwort schuldig.
Auch muss, wenn § 16 h ein ergänzendes Coaching-Angebot
werden soll, das Instrument als bundesweites Angebot flächendeckend ausgebaut werden. Hier zu investieren wäre gerade jetzt sinnvoll und notwendig, um Jugendliche, die sich infolge der Pandemie zurückgezogen haben, in ihrem sozialen Umfeld mit niedrigschwelligen Angeboten der aufsuchenden Jugendsozialarbeit zu erreichen. Die politisch Verantwortlichen sind daher
doppelt gefordert: die verschärften Sanktionsregeln für unter 25-Jährige unverzüglich abzuschaffen und die Förderangebote nach § 16 h auszubauen.
Langzeitarbeitslose nicht abhängen
Dauerbaustelle SGB II
Regelbedarfsermittlung: Neustart erforderlich
Mehr Partnerschaftlichkeit wagen
Klimaschutz statt Armut
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