Ein Schub für die Altenpflege
Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) wurde am 9. November im Deutschen Bundestag verabschiedet und hat am 23. November den Bundesrat passiert. Einem Inkrafttreten am 1. Januar 2019 steht nun nichts mehr im Wege. Ziel des Gesetzes sind eine komfortablere Personalausstattung und bessere Arbeitsbedingungen in der Altenpflege und im Krankenhaus (siehe dazu auch den Kommentar in der neuen caritas Heft 6/2018).
Kernstück des Gesetzes im Bereich der Altenpflege ist die Umsetzung des im Koalitionsvertrag genannten "Sofortprogramms": Vorgesehen ist die Schaffung von 13.000 neuen Stellen. Angesichts von mittelfristig mindestens 100.000 fehlenden Pflegekräften scheint dies ein Tropfen auf den heißen Stein zu sein. Gleichzeitig ist der Markt an Pfleger(inne)n leergefegt, so dass auch die Besetzung dieser 13.000 Stellen eine Herausforderung werden könnte. Der Gesetzgeber sieht vor, dass die zusätzlichen Stellen durch Teilzeitaufstockung besetzt werden können. Dafür hatte sich auch die Wohlfahrtspflege starkgemacht. Die neuen Stellen können nach vier Monaten, in denen sich keine Pflegefachkraft gefunden hat, zudem mit Pflegehelfer(inne)n ausgefüllt werden, sofern diese sich zur Pflegefachkraft weiterqualifizieren. Damit werden auch Anreize für die Gewinnung von zusätzlichen Fachkräften gesetzt. Sehr positiv zu bewerten ist, dass die neuen Stellen im Zusammenhang mit der Refinanzierung der medizinischen Behandlungspflege aus dem SGB V geschaffen wurden: 640 Millionen Euro fließen dafür aus Mitteln der Krankenkassen in die Pflegekassen. Auf diese Weise belastet das zusätzliche Personal nicht die Eigenanteile der Leistungsempfänger(innen) in den Pflegeeinrichtungen. Mit diesem Ansatz hat der Gesetzgeber eine Weichenstellung vollzogen, für die sich der Deutsche Caritasverband (DCV) immer eingesetzt hat: Dadurch, dass die Kosten für die medizinische Behandlungspflege in stationären Pflegeeinrichtungen nun von den Krankenkassen übernommen werden, sind die stationären Patient(inn)en nicht mehr gegenüber häuslich versorgten Menschen benachteiligt, die diese Leistung bereits von der Krankenkasse erhalten hatten. Der DCV wird darauf drängen, dass noch in dieser Legislaturperiode die Kosten der medizinischen Behandlungspflege voll refinanziert werden. Nach Schätzungen von Experten wie Heinz Rothgang, Professor für Gesundheitsökonomie an der Universität Bremen, und laut einer Studie des Verbands katholischer Altenhilfe in Deutschland (VKAD)1 betragen diese Kosten circa drei Milliarden Euro.
Die Tarifbindung wird anerkannt
Ein weiteres Highlight des Gesetzes ist, dass die Tarifbindung in der häuslichen Krankenpflege anerkannt wird. Seit vielen Jahren haben sich der DCV und der VKAD dafür eingesetzt, dass die Grundlohnsummenbindung der Vergütungen für die häusliche Krankenpflege aufgehoben wird und somit die stark klaffende Lücke zwischen den von den Krankenkassen gewährten Vergütungen und der tatsächlichen Tarifentwicklung in der Caritas geschlossen werden kann. Viele Dienste sind deswegen in den vergangenen Jahren unter finanziellen Druck geraten. Der DCV hat im Gesetzgebungsverfahren massiv darauf hingewiesen, dass die ambulante Pflege ausgeblutet wird, indem Krankenhäuser die Pflegekräfte aus der Altenpflege wie ein Magnet anziehen - durch die im Gesetz vorgesehene und an sich positiv zu bewertende Refinanzierung aller neuen Pflegestellen und Tarifsteigerungen sowie durch die neuen Personaluntergrenzen. Die Anerkennung der Tarifbindung in der ambulanten Pflege kann dieser Entwicklung zumindest entgegenwirken.
Mehr Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Pflege
Weitere Ansätze im Gesetzentwurf für bessere Arbeitsbedingungen sind mehr Mittel für die betriebliche Gesundheitsförderung in der Pflege und die Förderung der Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf. Für die Stärkung der betrieblichen Gesundheitsförderung von Pflegekräften werden die verfügbaren Mittel um einen Euro jährlich je Versicherten aufgestockt. Dies geht allerdings zulasten der Förderung der Verhältnisprävention, denn der Gesamtetat der Präventionsmittel bleibt gleich. Für die Unterstützung der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird ein jährliches Fördervolumen von 100 Millionen Euro in den Jahren 2019 bis 2024 ausgelobt. Jede Einrichtung kann einen jährlichen Betrag von 7500 Euro zum Beispiel für Kinderbetreuung an Wochenenden oder in Randzeiten sowie für Schulungen, wie zur Optimierung von Dienstplänen, einsetzen. Um die Förderung erhalten zu können, muss die Einrichtung allerdings 7500 Euro kofinanzieren.
Angekurbelt werden soll auch die Digitalisierung der Einrichtungen. Der DCV hatte sich bei den Koalitionsverhandlungen für eine Anschubfinanzierung eingesetzt. Nun sollen Einrichtungen im Zeitraum von 2019 bis 2021 einen einmaligen Zuschuss von bis zu 12.000 Euro erhalten; sie müssen aber 60 Prozent, also 18.000 Euro, aus eigener Tasche kofinanzieren. Förderfähig sind digitale oder technische Instrumente beispielsweise für die elektronische Pflegedokumentation oder Videosprechstunden mit Ärzten, aber auch Ambient Assisted Living (AAL) und Pflegeroboter.
Mit einem fachfremden Änderungsantrag werden zudem endlich die neuen Qualitätsprüfungen eingeführt, die sich an der Ergebnisqualität orientieren. Das neue System sieht eine Vollerhebung von ergebnisqualitätsbezogenen Daten ab dem 1. Oktober 2019 vor. Diese Daten sollen ab 2020 veröffentlicht werden. Für Schulungen nach dem neuen System werden die Einrichtungen mit einem Förderbetrag von 1000 Euro unterstützt. Prüfungen werden künftig angemeldet und der Prüfrhythmus wird ab dem 1. Januar 2021 auf zwei Jahre erweitert, wenn die Einrichtung ein hohes Qualitätsniveau nachweist. Mit der Einführung des neuen Ergebnisqualitätssystems ist ein Meilenstein erreicht, für den sich die freie Wohlfahrtspflege seit Jahren eingesetzt hat.
Auch die ärztliche Versorgung pflegebedürftiger Menschen wird mit dem Gesetz verbessert. Es ist dem DCV gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung gelungen, zu erwirken, dass künftig Krankenfahrten für pflegebedürftige Menschen zur hausärztlichen, fachärztlichen und therapeutischen Versorgung ab dem Pflegegrad 3 und für Menschen mit Behinderung nicht mehr von den Krankenkassen genehmigt werden müssen. Das gilt sowohl für den stationären als auch den häuslichen Bereich. Insgesamt bringt das Gesetz also die Altenpflege voran, aber weitere große Schritte müssen folgen.
Anmerkung
1. www.vkad.de/angebote/publikationen/zeitschriftenbuecherundbroschueren/medizinische-behandlungspflege-in-der-st
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