Weltweit sozial investieren
Seit Paul VI. mahnen die Päpste vernehmlich die soziale Verantwortung der Wirtschaft an. Ob Populorum progressio, Centesimus annus, Caritas in veritate oder Laudato si’ 2, die Kirche ruft zum sinnvollen Umgang mit den Ressourcen der Welt im Interesse aller Menschen auf, gerade auch der Benachteiligten. Dieser Ruf macht vor der Wall Street nicht halt. Nachhaltigkeit bei der Kapitalanlage gewinnt laufend an Bedeutung.3 Allgemein anerkannte Prinzipien der sozial verantwortlichen Kapitalanlage4 werden von christlichen Investoren um ethische Motive ergänzt und bilden einen Kanon, dessen Einhaltung neben eine ordentliche Rendite bei möglichst niedrigem Risiko tritt.
Die Errichtung sozialer Einrichtungen ist ein wichtiges Anliegen, ohne dabei von vornherein eine angemessene Rendite für die Investition ins Soziale als unlösbaren Widerspruch zu begreifen. Finanziell ansprechende Investments sollen vielen Menschen zum Vorteil gereichen. Um nichts anderes geht es bei Impact Investing: "Tue Gutes und verdiene Geld dabei."5 Ganz neu ist das Thema nicht - bekannte Beispiele sind Mikrofinanzanlagen, Investitionen in Windkraft oder Photovoltaik oder in sozialen Wohnungsbau. Seit Muhammad Yunus für sein wirtschaftswissenschaftliches Werk über Mikrokredite für die Ärmsten und dessen praktische Umsetzung mit der Grameen Bank 2006 den Friedensnobelpreis erhielt6, haben gerade die kirchlichen Banken zum Beispiel mit dem Fonds "Invest in Visions" viele Gelder bewegen können. Das brachte Einkommen für die Armen in Entwicklungsländern und hier 2,76 Prozent Rendite pro Jahr für die institutionellen Investoren.7
Es ist zu begrüßen, dass der Vatikan sich gegenüber der Finanzindustrie zum Vorkämpfer für Impact Investing macht. Weltweit stehen vier dringliche Themen im Vordergrund: Umwelt- und Klimaschutz, bessere Chancen für Migrant(inn)en und für arbeitslose Jugendliche sowie Verbesserung der Gesundheitsversorgung eigens in Afrika.
Das neue Paradigma ist, die finanzielle Rendite, das Verlustrisiko und den sozialen Effekt als Eckpunkte eines gleichseitigen Dreiecks anzusehen: Ethik bildet nicht länger nur eine Nebenbedingung für die Kapitalanlage, sondern stellt einen gleichberechtigten Angelpunkt dar. Die Bandbreite der angestrebten Rendite variiert auf einer Skala von A1 bis B2 zwischen jährlich acht Prozent und null Prozent. B2 bedeutet also immer noch die Erhaltung des eingesetzten Kapitals. Daneben wird weiterhin die Notwendigkeit direkter Unterstützung durch Spenden und Zuschüsse zum Beispiel durch die Kirche oder durch Hilfswerke gesehen, wobei der unterschiedliche Grad der Selbstkostendeckung in den Noten C1 bis C3 ausgedrückt wird. Die Lücke ist in dem Fall von den Geldgebern um des sozialen Nutzens willen akzeptiert.
Wer effizient agieren will, braucht betriebswirtschaftliche Methoden. Die Messungen aller drei Dimensionen: der Rendite, des Risikos und des sozialen Effekts sind bei Impact Investing gleichermaßen gefordert. Während die Messung der Rendite selbstverständlich ist und auch die Betrachtung von finanziellen Risiken heute zum guten Standard gehört, ist die Messung des sozialen Nutzens in der karitativen Praxis häufig noch Neuland. Doch der Boden ist bereitet.8 In der Entwicklungszusammenarbeit ist man hier weiter und definiert messbare Indikatoren, an denen die Bezuschussung von Projekten mit festgemacht wird. Dafür mangelt es oft an der systematischen Betrachtung finanzieller Nachhaltigkeit und Effizienz. So wird etwa bei der Substituierung fossiler Brennstoffe durch regenerative Energieträger selten gefragt, ob zuvor Einsparungen beim Energieverbrauch angebracht sind, um teure Überdimensionierungen zu vermeiden.
Capacity Building für Flüchtlinge
Folgt man der öffentlichen Wahrnehmung, trägt Europa die größten Lasten der weltweit stattfindenden Bevölkerungsbewegungen. Tatsächlich aber ist Deutschland mit knapp einer Million anerkannten Flüchtlingen das einzige europäische Land unter den Top 10 auf der Welt. Die meisten Flüchtlinge befinden sich mit 3,5 Millionen Menschen in der Türkei, gefolgt von Pakistan, Uganda, Libanon und dem Iran.9 Es ist davon auszugehen, dass viele Flüchtlinge dauerhaft dort bleiben, wo sie soziale und ökonomische Chancen finden. Damit liegt es in deutschem Interesse, einkommensschaffende Projekte gleichermaßen in den Herkunftsländern vieler Flüchtlinge zu initiieren wie hierzulande.
In Trainingszentren der Jesuiten in den USA werden Migrant(inn)en sprachlich, kulturell und berufsspezifisch auf den Arbeitsmarkt vorbereitet. Dabei wird darauf geachtet, welche wertvollen Skills sie mitbringen und welche Berufe gebraucht werden. Einkünfte erzielen die Trainingszentren aus der kommerziellen Vermittlung der Teilnehmenden und deren weiterer Begleitung in Form von Coachings beim Berufsstart. Einige Zugewanderte bringen das Zeug zur Selbstständigkeit mit. Bei Erhalt einer längeren Aufenthaltsgenehmigung bekommen sie Zugang zu Existenzgründungskrediten.
Für die Übertragung solcher Erfahrungen auf die Arbeit mit Migrant(inn)en hierzulande stellt sich die Frage: Wo könnten finanziell und sozial interessante berufliche Potenziale von Flüchtlingen liegen, zum Beispiel im kräftig weiter wachsenden Pflegebereich sowie im Ausland für die Ausbildung von Lehrern oder Infrastrukturfachleuten?
Landwirtschaftsprojekte für Umwelt und Klima
Eine ökologisch und ökonomisch nachhaltige Agrarwirtschaft in Ländern des Südens kann die Ernährungs- und Einkommenssituation der Menschen dort verbessern. Dabei sind beträchtliche Umweltentlastungen möglich: In Afrika entfällt zum Beispiel 15 Prozent der Wirtschaftsleistung auf die Landwirtschaft.10
Neben Projekten zu erneuerbaren Energien ist gerade der mehrfach sozialen Nutzen stiftende Ansatz landwirtschaftlicher Investitionen in Afrika spannend. Solche Vorhaben können klug kombiniert Spenden- und Entwicklungshilfegelder nutzen, werden aber auch in ihrem kommerziellen Kernbereich von der Bundesregierung unterstützt.11 Dadurch entsteht eine effiziente Kombination aus sozialem Nutzen, finanzieller Rendite und tragbarem unternehmerischen Risiko.
Gesundheitsprojekte in Afrika
Nach wie vor ist die Gesundheitsversorgung für viele Menschen in Afrika und entlang des indischen Subkontinents schwach. Ohne die kirchlichen Krankenhäuser wäre die Lage noch schlechter. 1321 katholische Krankenhäuser und 5177 Krankenstationen sind in Afrika registriert.12 Die meisten decken nur teilweise die laufenden Kosten. Von einer Vollkostendeckung, wie sie für einen nachhaltigen Betrieb letztlich unverzichtbar ist, kann oft keine Rede sein. Die Ursachen sind vielfältig. Einerseits fehlt eine verlässliche Finanzierung durch Krankenversicherungen. Andererseits sind viele kirchliche Krankenhäuser klein, kaum spezialisiert und als Arbeitgeber nur mäßig attraktiv.
In diesem schwierigen Umfeld wurde auf der Weltkonferenz von kommerziell guten Projekten berichtet, wie zum Beispiel: regionale Microinsurance-Projekte in Kooperation mit Krankenhäusern, regenerative Energienutzung, effizient organisierte Krankentransportdienste oder die erhebliche Erweiterung eines Krankenhauses in einer kenianischen Provinzhauptstadt auf mehrere Hundert Betten mit einer Reihe von weither aufgesuchter Spezialabteilungen.
Ein Zwischenfazit
Impact Investing ist ein neuer Oberbegriff für viele erfolgreiche Projekte. Aber Impact Investing ist mehr. Es ist eine neue Offenheit des Denkens, altbekannte Muster aufzubrechen und sich auf neue Anforderungen einzulassen. Es ist eine neue Offenheit des Handelns, in dem das Know-how und die bewährten Praktiken unterschiedlicher Akteure gebündelt werden und Synergien entfalten. Karitative Organisationen lernen von der Entwicklungszusammenarbeit und umgekehrt. Der soziale Anspruch beider bringt manchen in der Finanzindustrie zum Umdenken, ohne die alten Tugenden dieser Branche, nämlich die Nachhaltigkeit des Kapitals durch angemessene risikoadjustierte Renditen, aufzugeben. Das bringt eine neue Globalisierung im Sinne einer sozialen Marktwirtschaft.
Anmerkungen
1. www.viiconference.org
2. Unter w2.vatican.va sind die genannten Enzykliken zu finden (bitte das Suchwort "Enzyklika" und das Anfangswort des jeweiligen Titels eingeben).
3. Vgl. Suermann de Nocker, T.; Hinzen, W.; Steinkrüger, F.: Gute Rendite und gute Resultate; www.institut-fuer-sozialstrategie.de/2018/08/07/investments-gute-rendite-und-gute-resultate, 2018.
4. Siehe insbesondere UN Principles for Responsible Investment, 2006, www.unpri.org, Suchwort: "UN principles".
5. Titel des Beitrags im Kölner Domradio vom 12.7.2018, www.domradio.de, Kurz-Link: https://bit.ly/2C7XIsY
6. Vgl. Veröffentlichungen des Nobelpreiskomitees, www.nobelprize.org, 2006.
7. Vgl. Invest in Visions, Monatsbericht Dezember 2017, Rendite seit Auflegung Oktober 2011. In: Invest in Visions Newsletter vom 9. Januar 2018.
8. Vgl. Halfar, B.: Die Wirkung sozialer Arbeit ist messbar. In: neue caritas Heft 7/2013, S. 9 ff.
9. Vgl. Ranking der zehn Länder mit den meisten aufgenommenen anerkannten Flüchtlingen (Stand: Ende 2017), www.statista.com, 2018.
10. Vgl. FAOSTAT Macroindicators "GDP/Agriculture, Forestry and Fishing. 2016, www.fao.org
11. Siehe zum Beispiel Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:
www.developpp.de, 2018.
12. Vgl. UNHCR - Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2018/06/GlobalTrends2017.pdf; Deutsch von Max Breitling, UNHCR.
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