Eine Ära geht zu Ende
Junge Menschen gingen über 50 Jahre im Hinterhaus der Blumenstraße 36 in Görlitz ein und aus, jetzt sind die Türen geschlossen.
Mitten in einer Häuserzeile der unteren Blumenstraße befindet sich das Hinterhaus mit langer Bildungs-Tradition. Seit dem 20. November 2015 muss es heißen: befand sich. Denn nach über 50 Jahren endete eine Ära. Im Haus Nr. 36 verabschiedeten sich 37 Menschen in einer Feierstunde von dem, was 1964 als "Aspirantur" begann, weitergeführt wurde als "Sozialpflegerische Berufsfachschule", als "Einjährige Berufsfachschule" und im Jugendprojekt "Dia-LOGin" seinen Abschluss fand.
Freistaat Sachsen hat das Aus mit verursacht
Die Feier begann mit dem "Presto" aus dem Konzert F-Dur für Fagott und Klavier von Carl Stamitz. Ellen Letzel (Fagott) und Diözesankirchenmusikdirektor Thomas Seyda am Flügel lenkten mit ihren zumeist fröhlichen Musikstücken, in welche die Reden eingebettet waren, vom traurigen Anlass ab: Hunderte junger Menschen sind in diesen Räumen klüger, reifer, teamfähiger, lebenserfahrener, orientierter... geworden. Nach der ersten Musik wurde ein Text aus dem Buch der Prediger verlesen: "Alles hat seine Zeit: eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen, eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz".
Auch wenn das "Rondo" von Wolfgang Amadeus Mozart zum Tanz hätte animieren können, es war eher die Zeit zum Weinen und der Klage. André Schneider, Abteilungsleiter Kinder-, Jugend- und Familienhilfe beim Diözesancaritasverband in Cottbus, der einen Bogen zur Entwicklung beruflicher Bildung im Caritasverband von 1964 bis heute spannte, hatte Grund zu solcher Klage, denn die "Schulordnung Berufsfachschule" des sächsischen Kultusministeriums "hat das Aus mit verursacht. Darin war wohl die Sorge des Freistaates erkennbar, dass man die kommunalen Schulen nicht voll bekommt", so Schneider.
Caritasdirektor Michael Standera hatte zuvor bereits über die schwierige Zeit vor 1990 gesprochen. "Der Kampf gegen die Kirchen und die Christen wurde, je nach politischer Wetterlage, offen geführt." Die "Quintessenz aus 24 Jahren Berufsfachschule und Projekt Dia-LOGin" stellten Rita Lehmann, Koordinatorin des Projektes "Dia-LOGin" und Matthias Voigt, Mitarbeiter in diesem Projekt, vor. "Dia-LOGin" diente der „Qualifizierung von benachteiligten jungen Menschen in der Pflege“. So lag im Landkreis Görlitz im Jahr 2011 die Abbrecherquote an Ausbildungen bei 28,9 Prozent und damit über dem Landesdurchschnitt von 27,5 Prozent sowie dem Bundesdurchschnitt von 24,4 Prozent. Insgesamt wurden im Jahr 2011 damit 1151 Ausbildungsverträge aufgelöst. Rita Lehmann: "Seit Beginn im März 2014 haben 18 Jugendliche das Projekt durchlaufen. Junge Menschen haben die Chance genutzt, sich im Pflegebereich zu orientieren und sich auf eine entsprechende Ausbildung vorzubereiten. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten haben sich die Teilnehmerzahlen stabilisiert. Dennoch konnte keine dauerhafte Vollbelegung erreicht werden. Das finanzielle Risiko hierfür hat der Träger geschultert."
Auch künftig Projekte mit Jugendlichen
Nun kam die Zeit zu danken: Ursula Wilkowski, die Leiterin der Regionalstelle Görlitz, tat es mit Worten und gab jedem eine Rose, der an dieser Einrichtung für junge Menschen tätig war. Ursula Wilkowski: "Es bleiben die Angebote im Bereich der Fort- und Weiterbildung. Es bleibt die Koordination im deutsch-polnischen Projekt. Es bleibt die Freude an der Arbeit mit jungen Menschen, die motiviert, auch weiter an Projekten mit Jugendlichen zu arbeiten". Dabei hofft sie, die Anwesenden "weiter als Partner an der Seite zu haben".
Quelle: "Tag des Herrn" - Kath. Wochenzeitung