Zocken im Internet
Sie kann mitreden, wenn es um Spiele im Internet und auf Spielekonsolen geht. Sie weiß, was die Kids heute so zocken. Sie hat als leidenschaftliche "Zockerin" quasi ihr Hobby zum Beruf gemacht, wofür sie von vielen der Kids, mit denen sie zu tun hat, beneidet wird. Was sie ihnen aber voraus hat: sie weiß auch um die Gefahren dieser Spiele.
"Sucht fängt da an, wo Funktionalität und freie Selbstbestimmtheit eingeschränkt sind", bringt es Susanne Schulte auf den Punkt. Die 23-jährige ist staatlich anerkannte Ergotherapeutin und bei der Caritas Essen für das Projekt "2.0 Exit" ("Ausweg") zuständig, das vor gut drei Monaten startete. Ziel ist es, auf Kinder und Jugendliche zuzugehen, deren exzessive Mediennutzung die Schulnoten und reale Freundschaften gefährden.
Gefährdet sind viele
Spiele am Bildschirm haben freilich nicht nur negative Seiten. "Jugendliche können und dürfen im Virtuellen durchaus die Superhelden sein, die sie im echten Leben nicht sind oder nicht sein können. Hier lernen sie sogar in gewisser Weise, Teamplayer zu sein und sich sozial zu verhalten. Hier finden sie Bestätigung und Anerkennung, die ihnen im echten Leben vielleicht verwehrt bleibt", erklärt Schulte. "Der Anteil wirklich süchtiger Kinder und Jugendlicher liegt bei unter einem Prozent, gefährdet sind aber weit mehr."
Weil die Nutzung elektronischer Medien heute völlig selbstverständlich ist, wachsen auch die Gefahren, die damit verbunden sind. Die erste bundesweite Studie zur Internetabhängigkeit (PINTA I) besagt, dass die Altersgruppe der 14- bis 24-jährigen mit 250.000 Abhängigen und 1,4 Millionen sogenannten "problematischen Nutzern" besonders betroffen ist. Problematisch wird die Internetnutzung, wenn Jugendliche und junge Erwachsene die Kontrolle über ihre Nutzungszeiten verlieren und andere Aktivitäten wie Schule, den Kontakt zu Freunden und Hobbys einschränken.
Der Übergang zur Abhängigkeit ist fließend. Betroffene verlieren (dann) das Körper- und Zeitgefühl, der Tag-Nacht-Rhythmus geht verloren, Rückenschmerzen werden ignoriert. Folgen sind Schulausfälle, Noten verschlechtern sich massiv, der Freundeskreis verabschiedet sich nach und nach. "Oft", sagt Schulte, "tritt diese Abhängigkeit nicht alleine auf, sondern in Kombination mit Depressionen oder Angstzuständen, die die Flucht in virtuelle Welten begünstigen. Was von beidem zuerst da war, lässt sich dann oft nur schwer herausfinden."
Erlebnispädagogik
Ziel der Caritas-Initiative sei es, in direkten Kontakt mit den Kindern und Jugendlichen und ihren Familien zu kommen. Dafür sei die Zusammenarbeit mit anderen professionellen Einrichtungen wie Kliniken, Ambulanzen etc. sehr wichtig. Mittelfristig soll der Bereich der erlebnispädagogischen Angebote als reales Gegengewicht zur virtuellen Realität ausgebaut werden. "In echt ist die Grafik eben doch immer noch besser als am Bildschirm. Das versuche ich den Kindern und Jugendlichen zu erklären", so Schulte. Hier weiß sie auch die Verantwortlichen der Familien- und Erziehungsberatung der Caritas Essen hinter sich, mit denen sie in engem fachlichen Austausch steht.
2.0 Exit
Das Projekt "2.0 Exit" wurde von der Erziehungs- und Familienberatung der Essener Caritas entwickelt, die sich im Beratungsalltag immer häufiger mit dem Phänomen eines auffälligen Internetverhaltens konfrontiert sah. Das Projekt läuft über 18 Monate und wird finanziert von der "Aktion Lichtblicke" (der Initiative der Lokalradiostationen in NRW zugunsten benachteiligter Kinder) und aus Eigenmitteln der Caritas für die Stadt Essen. "2.0" steht für eine neue Generation von Onlineanwendungen.
Infos: Susanne Schulte, Telefon 0201 3200385, s.schulte@caritas-e.de