Ämterlotsen als "Türöffner"
Lothar Ferch (75) aus Gunzenhausen wollte noch einmal etwas Neues dazulernen und gleichzeitig Gutes tun. Ein geeignetes Engagement dafür erschien ihm die Tätigkeit als ehrenamtlicher Ämterlotse bei der Caritas-Kreisstelle Weißenburg und des Diakonischen Werkes Weißenburg-Gunzenhausen. Vor kurzem half Ferch dem aus Sri Lanka kommenden Jeyarajah Sinnapu-Mahalingam, Anträge für den Bezug von Arbeitslosengeld auszufüllen. Der zeigte sich dankbar, „denn bei so etwas tue ich mich schwer und fühle ich mich unsicher“.
Beliebtes Ehrenamt
Dankbar sind auch Caritasmitarbeiterin Alexandra Trögl und ihr Diakonie-Kollege Markus Willms den derzeit zehn Ämterlotsen, die sie bei der Arbeit entlasten. Vor drei Jahren lernte Willms ein ähnliches ökumenisches Projekt in Rosenheim kennen. Sein Wunsch, Ämterlotsen auch für die Begleitung von Klienten im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen zu suchen, fand bei der Caritas-Kreisstelle schnell Gehör. Bei beiden Wohlfahrtsverbänden machen Berater schließlich die Erfahrung, dass sich Hilfesuchende auf Ämtern und Behörden sowie mit bürokratischen Angelegenheiten oft schwer tun. Schnell waren nach Werbung in der Zeitung und in Pfarrbriefen die ersten Ämterlotsen gefunden – unter diesen ebenso Rentner, Hausfrauen wie junge Menschen. „Es ist meistens eine überschaubare Tätigkeit, bei der man in der Regel fünf oder sechs Menschen im Jahr hilft“, begründet Markus Willms die Beliebtheit dieses Ehrenamtes. Es gibt sogar eine Warteschlange an Interessenten, die auch noch gerne ehrenamtlich im Projekt mitarbeiten würden, um Hilfesuchende zu unterstützen und zu begleiten. Einige könnten demnächst zum Zug kommen, denn die Nachfrage nach solcher Hilfe steigt: Der Statistik von Caritas und Diakonie zufolge gab es im Jahr 2010 rund 40 Aufträge, im Jahr 2011 waren es bereits knapp 60 und im ersten Drittel dieses Jahres schon etwa 30.
Die derzeit aktiven Ämterlotsen wurden von Alexandra Trögl und Markus Willms an zehn Abenden geschult: ebenso im Sozialrecht wie für Konfliktlösungen oder auch darin, sich selbst nach getaner Arbeit wieder von erlebter Not loslösen zu können. Um fortlaufend im Austausch zu bleiben, treffen sich die beiden hauptamtlichen Fachkräfte mit ihnen auch weiterhin dreimal im Jahr in der Gruppe. Für individuelle Gespräche suchen die Ämterlotsen sie zwischendurch auf.
Für den Klienten einfach da sein
Finanzielle Not, Eheprobleme, familiäre und psychologische Schwierigkeiten gehören zu den häufigsten Herausforderungen, denen sich die Ehrenamtlichen an der Seite Hilfesuchender stellen. „Der Ämterlotse hilft vor allem dadurch, dass er für den Klienten einfach da ist“, bringt Alexandra Trögl die Hauptaufgabe auf den Punkt. Die Hauptamtlichen überlegen natürlich gut, welcher Ämterlotse zu welchem Klienten und welchem Amt passt. „In einem Fall ist es eher der einfühlsame mütterliche Typ, im anderen der sich Respekt verschaffende Krawattenträger“, so Willms.
Erfolgserlebnisse haben die Ehrenamtlichen vor allem im menschlichen Bereich. Ämterlotsin Birgit Struller freut sich darüber, dass sie so beispielsweise neulich einer plötzlich vom Ehemann verlassenen Mutter zweier Kinder beim Besuch der Arbeitsagentur „die Unsicherheit nehmen konnte“. In einem anderen Fall durfte sie letztens eine Frau mit Mietschulden ins Sozialgericht Nürnberg bei einer nicht öffentlichen Sitzung begleiten und konnte dort beruhigend auf sie einwirken. Nach Erfahrung von Markus Willms sind in der Regel sowohl Klienten als auch Behörden froh, wenn ein Ämterlotse dabei ist. „Von den Behörden hören wir, dass der Klient in diesem Fall entspannter ist und vom Klienten, dass der Umgang anders ist als sonst. Schließlich haben viele das subjektive Gefühl, benachteiligt zu werden.“ Dabei kann es durchaus sinnvoll sein, dass auch ein Ämterlotse einmal Durchsetzungsvermögen zeigt. Lothar Ferch erlebte einen Fall, in dem Kinder nicht an das Kindergeld kamen, das die Kindergeldkasse auf das Konto ihrer verstorbenen Mutter überwiesen hatte. „Hier musste ich hartnäckig bleiben und eine Vollmacht vorlegen, damit das Geld auf ein Konto des ältesten Sohnes zurücküberwiesen wurde“, erzählt der 75-jährige Ämterlotse, wie er zum „Türöffner“ wurde.
Hörfunkbeitrag von Radio K1 zum Thema ...