Barbier für Bedürftige
Mohammad Abdumelek nimmt sich Zeit. Mit viel Fingerspitzengefühl schneidet und trimmt er die Haare von Herrn H. Eine andere Kundin ist begeistert: "Mensch, das sieht ja spitze aus!" Alle lachen. Es herrscht eine ungezwungene und lockere Atmosphäre. Man unterhält sich, plaudert, tauscht sich aus. Das Ungewöhnliche: Herr H. lebt auf der Straße. Einen Friseurbesuch leistet er sich normalerweise nicht. Doch heute ist Mohammad Abdumelek als "Barbier für Bedürftige" im Einsatz. Ins Leben gerufen hat dieses Ehrenamtsprojekt der "SKM - Katholischer Verein für soziale Dienste" in Paderborn im vergangenen Jahr.
Menschen, die auf der Straße leben oder sich keinen Friseurbesuch leisten können, ein Gefühl von Würde zurückgeben: Das ist das Ziel des Projekts, erklärt Ivon Sobek, Ehrenamtskoordinatorin beim SKM. Auf ihre Nachfrage beim Markplatz für ehrenamtliches Engagement in Paderborn habe sich Friseur Abdumelek beim SKM gemeldet. "Ohne Menschen wie ihn, gäbe es solche Projekte nicht", ist Ivon Sobek ihm dankbar.
Das besondere an Mohamed Abdumelek ist, dass er selbst noch vor sechs Jahren auf Hilfe angewiesen war, als er aus seinem syrischen Heimatland fliehen musste. In Deutschland angekommen, erlernte er nicht nur die deutsche Sprache, sondern auch den Friseurberuf. Inzwischen hat er auch den Meisterbrief erworben. Warum er Bedürftigen kostenlos die Haare schneidet? "Weil ich selber viel Hilfe erhalten habe", antwortet er. Motivation zieht er auch aus einem Glauben an Gott. "Ohne ihn wäre ich nicht so weit gekommen."
Mittlerweile besucht Mohamed Abdumelek zum dritten Mal den SKM, um Bedürftigen seine Dienste zur Verfügung zu stellen. Mit jedem Besuch sind es mehr Menschen, die sich auf sein Handwerk freuen. In Anspruch nehmen das gern auch Menschen, die zwar eine Wohnung haben, aber selten ihre eigenen vier Wände verlassen. Eine gepflegte Frisur oder ein gepflegter Bart können das Gefühl vermitteln, dazu zu gehören, erklärt Ivon Sobek. "Oft führt ein ungepflegtes Erscheinungsbild dazu, dass man andere Menschen aus Scham meidet." Im schlimmsten Fall könne dies zu Isolation führen. "Mit diesem Ehrenamtsprojekt werden Ängste abgebaut", erklärt sie. "Auch diejenigen, die aus Angst bislang den Friseur gemieden haben, trauen sich wieder."
Wahrscheinlich liegt es auch an der vertrauensvollen Umgebung. Man kennt sich, das schafft Vertrauen. Und Mohamed Abdumelek tut sein Teil mit seiner freundlichen Ausstrahlung und dem würdevollen Umgang mit seinen Kunden dazu. Am Ende des Tages liegen viele geschnittene Haare auf den Boden. Mal gekraust, mal schwarz, mal gelockt: Alle unterschiedlich, so wie die Menschen mit ihren Geschichten.
Herrn R. etwa sieht man nicht an, dass er auf der Straße lebt. Für ihn, einen klugen Mann im mittleren Alter, der mal selbstständig war, kommt dieser Termin genau passend. Er möchte Bewerbungsfotos machen lassen, um sich für eine neue Arbeitsstelle zu bewerben. Er ist ein Beispiel dafür, dass man Menschen nicht in eine Schublade stecken kann. Alle Besucher die nach der Ehrenamtsaktion den Frisierraum verlassen, wirken glücklich und zufrieden.
Genau wie Mohamed Abdumelek. Sein nächstes Projekt? "Gerne ein eigener Friseursalon, am besten in einem Vorort von Paderborn", sagt er hoffnungsvoll. "Und natürlich zum SKM wiederkommen."
Unterstützung
Wer die SKM-Tagesstätte in Paderborn ehrenamtlich oder mit Sachspenden (u. a. Decken, Schlafsäcke, Zelte, Kaffee, Körperpflegeprodukte) unterstützen möchte, kann sich wenden an Ivon Sobek, Tel. 05251 131615, E-Mail: i.sobek@skm-paderborn.de.