Kaufen und Klönen
Heinz Adler ist ein resoluter und energiegeladener Mann Ende 70. Und er hat eine Mission: Er will denen helfen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen: die arm sind und arbeitslos. Die mit ihren schlecht bezahlten Jobs kaum über die Runden kommen oder eine Mini-Rente kriegen, obwohl sie ihr Leben lang geschuftet haben. Deshalb gründete er vor 22 Jahren den ersten CARIsatt-Laden in Frankfurt (Oder). Die Idee: Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs werden weit billiger angeboten als üblicherweise. Es sind Sachen, die völlig in Ordnung sind, die der Handel aber aussortiert und den CARIsatt-Läden spendet: etwa weil das Mindesthaltbarkeitsdatum fast erreicht ist oder weil sie kleine Schönheitsfehler haben. Zum Teil sind es auch Waren aus Überproduktion.
Als der CARIsatt-Laden 1999 an den Start ging, waren zehn Jahre seit der Wende vergangen. Die hatte auch in Frankfurt (Oder) nicht nur Gewinner hervorgebracht, sondern auch Arbeitslose und Geringverdiener. Heinz Adler kannte das aus der Nachkriegszeit. Außerdem war er viele Jahre Geschäftsführer des Caritas-Verbandes Strausberg gewesen und wusste, wo bei vielen Menschen der Schuh drückt. Also krempelte er die Ärmel hoch und legte los - zunächst allein, dann mit Maria Streicherts Unterstützung. Sie ist heute seine Nachfolgerin.
Die Produktpalette war am Anfang bescheiden: Gemüse und Fertiggerichte in Dosen, Mehl, Zucker, Salz, Brot. Viel mehr gab es nicht. Fabriken spendeten Zucker, Bäcker spendeten Mehl, eine Brotfabrik aus Eisenhüttenstadt stellte ihre Überproduktion zur Verfügung, ein Buchladen, der schließen musste, verschenkte seine Regale - fertig war die Ladenausstattung. Ein Transporter kam hinzu. Ebenfalls geschenkt. Heinz Adler konnte gut mit Sponsoren verhandeln. "Er hat viel bewegt", sagt seine Nachfolgerin Maria Streichert. "Ich habe mich oft gefragt: Wird er denn niemals müde?" Derzeit zwingt ihn eine Erkrankung zur Ruhe. "Das CARIsatt-Team aus Frankfurt (Oder) hält natürlich Kontakt zu ihm", sagt Maria Streichert. Sie ist zudem für einen Laden in Berlin zuständig sowie für zwei weitere in Fürstenwalde und in Königs Wusterhausen. In jedem Laden arbeitet eine Angestellte in Teilzeit, die anderen, etwa 50 Mitarbeitende, sind ehrenamtlich beschäftigt. "Immer wieder stoßen im Rahmen verschiedener Maßnahmen auch Leute zu uns, die das Jobcenter vermittelt", berichtet die Leiterin. "Sie können sich bei uns an den Arbeitsmarkt gewöhnen, denn hier ist der Leistungsdruck nicht so groß."
In der Berliner Steinbockstraße stehen Gurkengläser neben Dosen mit Kidneybohnen und Zuckerschoten. Es gibt Kartoffelklöße, Reis und Grieß, aber auch Joghurt, Oliven, Käse, Wurst, Fleischsalat, Waschmittel, Windeln und Baby-Schlafanzüge. "Wir haben mehrere hundert Produkte - wie eine Art Tante-Emma-Laden", sagt Maria Streichert stolz. "Und wir haben uns von Anfang an von den Tafeln abgehoben. Dort bekamen die Menschen früher eine vollgepackte Tüte mit Lebensmitteln überreicht." In den CARIsatt-Läden darf jeder die Waren selbst aussuchen. Autonomie und Selbstbestimmung sind auch für Menschen wichtig, die wenig Geld haben. Einzige Bedingung: Sie müssen nachweisen, dass sie bedürftig sind. Dann gibt es einen Ausweis, der ein Jahr lang gilt.
Eddy, 46, hat dieses Dokument. Ein- bis zweimal die Woche kauft er im Berliner CARIsatt-Laden in der Steinbockstraße ein. Meist Joghurt, Pudding und Süßes für seine sechsjährige Tochter Alicha. Er lebt zur Zeit von Hartz IV und hilft seit ein paar Tagen im Laden mit. "Ich kenne fast alle, die hier einkaufen", sagt er. "90 Prozent kommen aus dem Kiez. Für den ist der Laden super, denn viele Leute haben wenig Geld."
Die CARIsatt-Läden sind gut ausgestattet. "Wir kriegen genug Lebensmittel", berichtet Maria Streichert. Zum Beispiel Wasserflaschen, die für Kreuzfahrtschiffe gedacht waren. Ein Biobauer habe Hokkaido-Kürbisse und Kartoffeln angeboten. "Da sind wir hingefahren und haben geerntet", berichtet Maria Streichert. Die 62-Jährige mit dem blonden Pagenschnitt sprüht vor Energie.
Doch günstig einkaufen ist noch nicht alles. Die CARIsatt-Läden sind auch eine Anlaufstelle, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und ihnen praktische Lebenshilfe anzubieten - oft bei einer Tasse Kaffee. "Wir haben zum Beispiel einen Nähkurs angeboten oder einen Laptop für ein Schulkind beschafft, indem wir gemeinsam mit der Familie einen Antrag für Nothilfe gestellt haben", sagt Maria Streichert. "Die wussten einfach nicht, wie so etwas geht."
In Frankfurt (Oder) gibt es normalerweise immer eine Weihnachtsfeier für Alleinstehende und Bedürftige, die vor 20 Jahren von Heinz Adler initiiert wurde. "Wegen Corona mussten wir in diesem Jahr darauf verzichten", erzählt Maria Streichert. "Stattdessen haben wir 150 Päckchen gepackt und sie an bedürftige Familien verteilt." Die Tüten waren gefüllt mit Süßigkeiten, Backwaren, Kaffee, Duschgel, Büchern und Spielsachen für die Kinder.
Christa ist 79 und arbeitet seit zehn Jahren ehrenamtlich im Berliner CARIsatt-Laden. "Wir kennen unsere Kundinnen und Kunden", sagt sie "und nehmen uns Zeit zum Reden. Wenn jemand länger nicht her kommt, fragen wir nach." Allein zum Laden in Frankfurt (Oder) kommen rund 40 Gäste pro Tag - zum Einkaufen und Reden. Der Laden läuft.