Gerüst für den Schulalltag
Sie geben ihnen mit viel Kreativität und hohem Durchhaltevermögen das Gerüst, um im Schulalltag zu bestehen. Ihre Zahl ist bei der Caritas Kleve in zehn Jahren von acht auf 50 gestiegen. Felix* blickt Michaela Sommer mit großen Augen an. Er drückt damit aus: "Du gehörst zu mir!" Laut sagt er das nicht, dafür aber: "Frau Sommer hilft uns bei den Aufgaben im Unterricht und spielt mit uns." Das ist seine Antwort auf die Frage: "Was Frau Sommer eigentlich so macht?"
Felix (6) bsucht seit August eine Grundschule in Emmerich am Rhein. Michaela Sommer (54) ist seine Integrationshilfe, auch I-Hilfe genannt. Eine Integrationshilfe ist nicht per se für die Integration ausländischer Kinder zuständig. Auch ist eine I-Hilfe nicht nur für I-Dötze da, erklärt Elke Kotthoff, Leiterin des Fachdienstes Schule beim Caritasverband Kleve. Michaela Sommer hat schon alle Altersklassen und Schulformen betreut - Grundschüler, Realschüler, Gymnasiasten. Ihnen allen fehlt ihrer Meinung meist eins: Struktur.
Regeln akzeptieren
"Ich helfe den Kindern und Jugendlichen, in der Schule zurechtzukommen", sagt Michaela Sommer. "Ziel der Integrationshilfe ist eine normale, gesellschaftliche Teilhabe im Klassenverband. Dazu gehört auch die Akzeptanz von Regeln im sozialen Miteinander", sagt Elke Kotthoff.
Michaela Sommer ist seit zehn Jahren Integrationshelferin beim Caritasverband Kleve. Damals waren ihre Kinder aus dem Gröbsten raus. "Ich wollte arbeiten, am liebsten vormittags und mit Kindern", erklärt sie. Durch Zufall habe sie von der Arbeit der Integrationshilfen beim Caritasverband Kleve erfahren. Als Mutter von drei schulpflichtigen Kindern wusste sie natürlich, wie Schule funktioniert.
Ein analytischer Blick und die Kompetenz, Dinge auszuhalten, belastbar zu sein sind weitere Voraussetzungen für den Job. Um das zu reflektieren, aufzuarbeiten und zu besprechen, treffen sich die Mitarbeitenden des Caritasverbandes Kleve einmal im Monat zu einer Team-Sitzung. Dazu gibt es Hilfeplan-Gespräche mit Verband, Jugendamt, Schule, den Erziehungsberechtigten und den Kindern.
Eine andere Gesellschaft
Als Michaela Sommer anfing, hatte sie acht Kollegen. Heute sind es mehr als 50. Weil sich die Gesellschaft verändert hat, weil Kinder im Alltag und in der Schule oft nicht mehr zurechtkommen. Einige bringen Diagnosen wie zum Beispiel ADHS, ADS oder Autismus mit, andere kommen aus komplexen familiären Kontexten.
"Meist sind es die Lehrer, die sich bei den Eltern melden. Daraufhin wird ein Antrag auf Hilfe zur Erziehung gestellt. Es folgen Diagnostik und Bewilligung vom Jugendamt", erklärt Elke Kotthoff den Weg zu einer Integrationshelferin oder einem Integrationshelfer. In der Regel sind sie dann anderthalb Jahre fürs Kind da.
Felix ist ein Pflegekind. Manchmal ist er lauter als andere, manchmal wilder und manchmal unkonzentrierter. "Eine eindeutige Diagnose liegt nicht vor", sagt Michaela Sommer. In der Grundschule erlebt sie ihn bislang als aufgeweckten Jungen - wissbegierig, meist schneller als seine Mitschüler: "Ich erkläre ihm, wie Schule funktioniert. Tasche auspacken, hinsetzen, zuhören, mitmachen. Und ich versuche, ihm den Zugang zu den Mitschülern zu ermöglichen oder zu erleichtern." Sie ist beliebt, fast schon beliebter als die Klassenlehrerin. Der große Unterschied, das weiß sie selbst: "Ich habe keinen Lehrauftrag."
Michaela Sommer ist montags bis freitags von 8 bis 11 Uhr für Felix da. Hinzu kommen zehn Stunden für eine Sechstklässlerin eines Emmericher Gymnasiums. "Es läuft nicht immer alles gut. Das Wichtigste ist aber, dass man es nicht persönlich nimmt und den Kopf in den Sand steckt", sagt Michaela Sommer. Dieser Meinung ist auch Elke Kotthoff: "Unsere Integrationshilfen müssen Ablehnung aushalten. Und sie müssen in der Lage sein, das Rad täglich neu zu erfinden. Dinge, die nicht funktionieren, umzustellen."
(*Name geändert)